Es gibt Whiskybrennereien, die im Scheinwerferlicht stehen und in Whisky-Bestenlisten immer genannt werden, und es gibt solche, die ihr Dasein meist im Schatten fristen. Sie produzieren fleißig und treu Jahr um Jahr, doch ihre Erzeugnisse werden hauptsächlich für Blended Whiskys verwendet. Nur unabhängige Abfüller picken ab und zu die eine oder andere Perle heraus und sorgen dafür, dass der Name der Brennerei in der Whiskywelt nicht ganz in Vergessenheit gerät. Aber dann beschließt vielleicht ein neuer Besitzer oder ein neues Management, einer Marke eine Chance als Single Malt und ein neues Gesicht zu geben. Der Whiskybestand wird gesichtet und die Whiskymarke durch ein geändertes Fassmanagement neu definiert – das hat zuletzt bei GlenAllachie unter Billy Walker wunderbar funktioniert.
Auch Fettercairn war lange Zeit so ein Aschenputtel – fleißig, aber von der breiten Öffentlichkeit unbeachtet. Im Laufe der Jahre hat die Brennerei viele Besitzer gesehen. Zuletzt hatte die indische Gruppe United Spirits das Unternehmen Whyte & Mackay und damit unter anderem Fettercairn im Jahr 2015 an den philippinischen Produzenten Emperador verkauft, den heutigen Besitzer. Bereits unter United Spirits hatte Fettercairn einige ältere Single Malt Abfüllungen herausgebracht und 2010 mit dem Fior und 2012 mit dem Fasque den Versuch einer breiteren Positionierung als Single Malt gemacht, aber ein richtiger Durchbruch wurde das nicht.
2018 wurde dann eine komplett überarbeitete Range vorgestellt, die nun beständig ergänzt wird. Natürlich wurden diese Whiskys bereits vor vielen Jahren produziert und sind nicht vom Himmel gefallen, aber Ingvar Ronde berichtet in seinem Malt Whisky Yearbook 2021, dass bei Fettercairn durch „Re-racking“, durch Umfüllen in andere Fässer, vieles in eine neue aromatische Spur gebracht wird. Und die getorften Whiskys, die bei Fettercairn bis 2010 parallel hergestellt wurden, hat man für die neuen Abfüllungen (anders als beim Fior) außen vor gelassen – glücklicherweise, wie ich meine, ich war vom Fior nicht sehr begeistert.
Eine neue Begegnung mit Fettercairn
Ich bin schon lange ein Fan von Fettercairn und habe bereits etliche feine Abfüllungen unabhängiger Abfüller im Glas gehabt. Mein Besuch der Brennerei liegt leider schon wieder viel zu lange zurück, 2010 war ich dort. So war ich sofort Feuer und Flamme, als Instagram-Blogger Basti/WhiskyGermany mich zu einer Verkostung der Fettercairn Range und des neuen Fettercairn Warehouse 2 einlud, die er für Whyte & Mackay und deren neuen deutschen Importeur Mack & Schühle organisierte.
Rund 40 Personen tummelten sich am 4. April im Zoom-Raum, neben Journalisten und Bloggern auch Vertreter von Mack & Schühle, Whyte & Mackay und Fettercairn. Für die Gestaltung des Events mit Informationen zur Brennerei und die Verkostung der Whiskys waren hauptsächlich Andrew Lennier von Whyte & Mackay, UK Brand Specialist für Fettercairn und Distillery Manager Stewart Walker zuständig.
Das Einhorn und der Kühlring
Am Beginn stand ein kurzes Video mit Einblicken in die Fettercairn Distillery. Sie liegt „am Fuße des Berges“, was Fettercairn übersetzt bedeutet, genauer gesagt am Fuße der Cairngorms und entstand aus einer ehemaligen Mühle. Gegründet 1824 von Sir Alexander Ramsay, trägt die Brennerei nicht von ungefähr ein Einhorn in ihrem Logo: Es war das Wappentier des Adligen und nicht nur in Schottland ein sehr bekanntes und beliebtes Motiv. Es steht für Reinheit, Freiheit und Unschuld. Ist der Löwe das englische Nationaltier, so ist das Einhorn das schottische.
Bekannt ist Fettercairn vor allem wegen seiner besonderen Brennblase: Sie besitzt einen nachträglich um den Hals montierten „cooling ring“, durch den kühlendes Quellwasser läuft, wenn das Herzstück destilliert wird. Ergänzt wurde dieser Kühlring erst in den 1950er Jahren. Der damalige Master Distiller nicht ganz zufrieden mit dem Aroma des New Makes und hatte die Brennblase während der Destillation versuchsweise mit Wasser besprengt, zunächst mittels eines Gartenschlauchs. Das Ergebnis überzeugte ihn und der Kühlring Marke Eigenbau wurde installiert.
Durch die Kühlung entsteht Reflux, also Rücklauf von Alkohol, der eigentlich als aufsteigender Dampf durch den Hals abgeleitet worden wäre, durch die Wasserkühlung aber wieder verflüssigt wird und dann erneut erhitzt. Das sorgt sozusagen für mehrfache Destillation von kleinen Anteilen des Alkohols. Der New Make von Fettercairn wird dadurch besonders leicht und fruchtig. Dass diese Kühlung wirklich einen Unterschied macht, habe man in Anwesenheit von Richard Patterson durch Vergleichsdestillationen mit und ohne Einsatz des Kühlringes und Geschmacksvergleiche bestätigen können, erzählt Stewart Walker.
14 Dunnage Warehouses besitzt Fettercairn, in denen auf traditionelle Art gelagert wird. Stewart Walker muss eigentlich jedes der gelagerten Fässer persönlich kennen, kann man vermuten, arbeitet er doch bereits seit 31 Jahren bei Fettercairn, nachdem er keine 200 Meter von der Brennerei entfernt aufgewachsen ist. Das, was er jetzt aus diesem Bestand an neuen Abfüllungen gemacht hat, stellt er im Tasting stolz vor.
Hier sind meine Notizen zu den neuen Fettercairns
New Make
In einem kleinen Zerstäuberfläschchen hatten wir Fettercairns New Make bekommen. Neben feinen fruchtigen Noten hat er auch schöne Getreidenoten zu bieten.
Fettercairn 12 Jahre
Ex-Bourbonfässer, 40 % vol
In der Nase: Fruchtig, Birne, gedünsteter Apfel, leichte Vanille, Malz
Am Gaumen: Der Whisky hält, was er in der Nase verspricht. Angenehm fruchtige Noten, Birne, Pfirsich, Vanille, Malz, leichte Würzigkeit, vielleicht ein wenig Ingwer. Karamell, Milchschokolade.
Im Finish bleibt etwas Frucht, doch vor allem Karamell und Röstaromen.
Fazit: Ein schöner Opener, angenehm zu trinken, mild und fruchtig.
Fettercairn Warehouse 2 Batch 1
Das erste Batch einer Serie. Im Warehouse 2 der Brennerei lagern derzeit 3.216 Fässer, erzählte Stewart, genug experimentelles Material also. Das zweite Batch wird bereits im August erscheinen. Dieses erste wurde zusammengestellt aus insgesamt 19 Fässern: 35% Bourbonfässr, 40% Portfässer, 10 % Sherryfässer, 10% Sherry Seasoned Oloroso Sherryfässern und 5% Virgin American Oak Fässern. Alle Angaben finden sich übrigens auch detailliert auf der Verpackung des Whiskys. Abgefüllt wurde mit 49,7% vol.
In der Nase: Reife Früchte, süß, viel Getreide, Honig. Da sind wieder die Birnen, aber auch Ananas, Mango. Exotischer Obstsalat mit gerösteten Haferflocken.
Am Gaumen: Üppig, süß, Karamell, wieder der exotische Obstsalat, Datteln, Rosinen. Cremiger Honig, ein wenig Pfeffer und Ingwer und dazu ein Espresso. Die Frucht kommt allmählich noch stärker heraus. Orange, Ananas, Mandarine. Auch Apfel. Apfel mit Zimt.
Im Finish zeigen sich allmählich stärker Gewürze und Eiche.
Fazit: Ein würziger, leicht süßer Whisky mit tropischen Fruchtaromen. Ausbalanciert und vielschichtig.
Fettercairn 16 Jahre
Aus 100% Chocolate Malt, auch Espresso Malt genannt, aus dunklem, stark geröstetem Malz also. Gelagert in First Fill Ex-Bourbonfässern mit zweijährigem Finish in Sherry- und Portfässern. 46,4 % vol
In der Nase: Rosine, Banane, Malzbonbons. Beerenfrüchte und dunkle Schokolade.
Am Gaumen: Viel Kraft, wieder Banane, aber auch reife Erdbeeren und Himbeeren. Dazu sehr dunkle Schokolade mit gerösteten Nüssen. Rosinen und Karamell. Im Finish sind die Röstaromen dominant, Eiche und brauner Zucker.
Fazit: Ein sehr intensiver Whisky mit kräftigen schokoladigen Noten. Frucht ist hier zwar auch wahrnehmbar, aber nicht dominant. Hätte ich blind nie und nimmer in Richtung Fettercairn gesetzt. Wer jetzt hellhörig geworden ist, den muss ich enttäuschen: Im regulären Handel ist er bereits vergriffen. Ende November soll es einen neuen 16-Jährigen geben, dann aber nicht aus Chocolate Malt. (Pssst… Steward hat irgendwas von PX gesagt). Na mal sehen, ein paar Fässer mit Whisky aus diesem speziellen Malz lagern wohl noch bei Fettercairn.
Fettercairn 22 Jahre
Ex-Bourbonfässer, abgefüllt mit 47% vol
In der Nase : Vanille und feine Frucht, Birne, Ananas.
Am Gaumen sehr elegant, fein, weich und rund. Vanille und süße Früchte. Orange, Aprikose, Ananas. Zarte Ingwerkekse. Und dann im Hintergrund – ich weiß nicht recht, etwas Erdiges, ein Hauch aus dem Keller.
Im Finish entwickeln sich Kaffeenoten und ein Hauch Ingwerschärfe.
Fazit: Ein total spannender Whisky. Fein und zart und ausgereift. Sehr schön, kriegt ein dickes Like.
Fettercairn 23 Jahre
Ex-Bourbonfässer und Finish in Cognacfässern, 48,5% vol
In der Nase sehr intensive Früchte, Birne, Pflaume, Vanille.
Am Gaumen machen sich dir Früchte breit, tropische Früchte, Ananas, Orange, Mango aber auch wieder die Pflaume und Rosinen. Sehr weich.
Im Nachklang immer noch Frucht, Rosinen. Kaum würzige Noten, vielleicht etwas Zimt.
Fazit: Ein dicker Früchtekorb, sehr weich und sanft – auch sehr schön, aber kommt an meinen 22-jährigen Favoriten nicht heran.
Vom Aschenputtel zur Fruchtprinzessin
Es war ein spannendes, unterhaltsames und informatives Tasting. Vielen Dank allen Organisatoren und Beteiligten! Ich freue mich, dass Fettercairn mit diesem neuen Auftritt zeigt, dass hinter dem Aschenputtel auch die Ballprinzessin steckt. Eine Fruchtprinzessin. Eher Fettefrucht als Fettercairn 😉 .
Und ich bin gespannt auf alles, was da noch kommt. Stewart sagte beispielsweise etwas von Fässern aus schottischer Eiche, aber die sind erst seit ein paar Wochen im Lager.