Ad Gefrin Distillery: Besuch der Whiskybrennerei in Northumberland

Die Anzahl englischer Whiskybrennereien ist in den letzten Jahren beständig gestiegen. Auch im Örtchen Wooler in Northumberland sieht man gespannt dem eigenen Single Malt Whisky entgegen. Dort hat die Brennerei Ad Gefrin im Herbst 2022 die Produktion aufgenommen. In den vergangenen Wochen war Ad Gefrin in den Medien sehr präsent, weil sie am 25. März 2023 offiziell Eröffnung feierte und fortan auch Besucher empfängt.

Ich hatte zwei Monate zuvor im Januar bereits Gelegenheit mir die Brennerei anzuschauen. Ben Murphy, Director of Distilling, der Brewing & Distilling an der Heriot-Watt University in Edinburgh studierte, führte mich durch die Anlage. Die Brennerei selbst war fertig gestellt und arbeitete, die Räume des Visitor Centers und des ebenfalls hier entstehenden Museums für die angelsächsische Geschichte der Region befanden sich allerdings noch im Baustellenstadium. Das ist der Grund dafür, dass ihr mich auf einigen Bildern im schickes Outfit mit Helm und Schutzweste bewundern könnt. Bilder des Museumsbereiches habe ich auf Bitten von Ben Murphy hin nicht gemacht, man wollte der Öffentlichkeit erst mit der Eröffnung einen äußerst beeindruckenden Einblick präsentieren. Einige Bilder füge ich in den Text ein, unten findet ihr eine erweiterte Bildergalerie.

Und beeindruckend waren diese Räume schon im unfertigen Zustand, speziell das riesige Kuppeldach über dem Atrium, gestaltet aus Kupfer und Holzdauben wird jedem Besucher sicher ein „Wow“ entlocken. In monatelanger Arbeit haben Handwerker der Region daran gearbeitet.

Wenn ihr auch staunen wollt und sowieso eine Schottlandtour mit eigenem Auto plant, dann schaut doch vorbei bei Ad Gefrin: Wooler liegt auf halber Strecke zwischen dem Fährhafen Newcastle und Edinburgh, ihr müsst lediglich statt der üblichen A68 oder A1 die A697 fahren.

Whisky aus Northumberland

Warum eine Whiskybrennerei mit einem angelsächsischen Museum kombiniert wird, fragt ihr euch? Das habe ich Ben Murphy auch gefragt. Er erzählte mir von der Verbundenheit von Alan und Eileen Ferguson mit dieser Gegend hier erzählt. Ihre Wurzeln sind hier und als sie eine Verwendungsmöglichkeit für dieses Gelände überlegten, auf dem vorher ein Transportunternehmen angesiedelt war, ging es ihnen darum, auch etwas Gutes für die Gemeinde zu tun. Sowohl Arbeitsplätze zu schaffen als auch den Ort durch Tourismus zu beleben. Bisher gehen die großen Touristenströme nämlich an Wooler vorbei. Als jemand an sie herantrat, der nach einem Gelände für eine Whiskybrennerei suchte, fragten sie Nigel Mills von der Lakes Distillery um Rat. Der meinte: „Warum wollt ihr diese Chance jemand anderem überlassen? Macht es doch selbst!“

Northumberland stand schon immer Schottland und seinem Whisky näher als England und dem Gin, erzählt mir Ben, vor 200 Jahren habe es auch hier eine Whiskytradition gegeben. Black Rory mit seiner Schwarzbrennerei und seinem Schmuggel in den Cheviot Hill am River Coquet sei legendär. Auch den Fergusons gefiel die Idee, eine Whiskybrennerei zu gründen. Beim Weihnachtsessen 2018 erzählten sie dann ihren Kindern, dass sie beabsichtigten, „ihr Erbe in Whisky anzulegen“.

Die Sache mit den Angelsachsen

Die waren begeistert, aber ihr Sohn Chris, durch sein Archäologiestudium besonders der angelsächsischen Geschichte verbunden, meinte, warum nicht noch mehr aus dem Gelände machen? Immerhin schlug doch hier einst das Herz Northumbrias, des angelsächsischen Königreiches. Von Wooler bis Bamburgh sind es nur knapp 15 Meilen (Bamburgh = Bebbanburg. Uthred von Bebbanburg… – bei Fans historischer TV-Serien klingelt es da gerade vielleicht). Nahe Wooler betreut der Gefrin Trust Ausgrabungsstätten jener Zeit. Und so wurde der Entschluss gefasst, in Wooler auch der Geschichte Raum zu geben und in Kooperation mit dem Gefrin Trust ein Museum zu schaffen.

Durch eigenes Kapital, Fremdinvestoren und Unterstützung durch den County Council konnte das 16-Millionen-Pfund-Projekt in Angriff genommen werden. Ad Gefrin knüpfte zwei Fäden zusammen, den des Whiskys und den der angelsächsischen Geschichte. 60 Arbeitsplätze wurden bereits geschaffen. Und Wooler hat auf einen Schlag zwei neue Publikumsmagnete bekommen und zieht zwei Zielgruppen an – eine großartige Chance für den Tourismus.

Eine Brennerei in einem Raum

Wem es der Whisky angetan hat, den erwartet eine Forsythe-Anlage vom Feinsten. Als die Brennblasen in Wooler eintrafen, säumten die Einwohner von Wooler die Straße und feierten den Einzug ihrer neuen „Helden“ mit einer Parade von Pipern, Fiddlern und Trucks. Zusammen mit einer 5.000 Liter Mashtun und vier hölzernen Washbacks (ihr Volumen habe ich mir nicht notiert) arbeiten die beiden 5.000 Liter und 3.500 Liter Brennblasen in einem gemeinsamen großen Raum.

Die Gerste, die Ad Gefrin verwendet (Diabolo und Laureate), wächst im Umkreis von 15 Meilen um die Brennerei herum in Northumberland heran und wird bei Simpsons Maltings im nahen Berwick-upon-Tweed ohne Torf gemälzt. Wasser gibt es hier reichlich, erklärt Ben, es stammt von den Cheviot Hills. Ad Gefrin holt es aus einem 200 Meter tiefen Bohrloch herauf.

Ein fruchtiger, leichter Whiskystil für Ad Gefrin

Zur Zeit meines Besuches lag man bei 80.000 Liter Alkohol Jahresproduktion, 120.000 Liter zielt man an. Durch eine Verdoppelung der Washbacks (der Platz dafür wurde freigehalten) und Umstellung auf drei Schichten pro Tag könnte man sogar bis zu 360.000 Liter jährlich destillieren.

Stand Januar 2023 spielte man bei Ad Gefrin noch mit den Fermentationszeiten von 80 – 90 Stunden und mit verschiedenen Hefen mit dem Ziel einen sehr fruchtigen New Make zu erhalten. Gibt es einen typischen Northumberland-Whisky-Stil? Wohl kaum, aber bei Ad Gefrin will man auf jeden Fall einen fein-fruchtigen, leichten und nicht rauchigen Whisky kreieren. Easy drinking, meint Ben, man will vor allem auch bisherige Nicht-Whisky-Trinker ins Boot holen.

Und die Fässer?

Dann stellt sich noch die Frage nach den Fässern, denn schließlich destilliert man schon eine ganze Weile und ich sehe auf dem Gelände kein fertiges Lagerhaus. Noch werden die gefüllten Fässer eine halbe Stunde von hier entfernt gelagert, erklärt Ben. Sobald aber der Bau des ersten großen Lagerhauses auf dem Gelände abgeschlossen sein wird, ist hier Platz für 12.000 Fässer. In weniger als zwei Jahren wird es voll sein. Und dann? Bis dahin schaffen wir mehr Platz, meint Ben.

Bisher sind es zumeist traditionelle Ex-Bourbon und Ex-Sherryfässer, die gefüllt worden, amerikanische und europäische Eiche. Aber auch einige Ex-Madeirafässer und Ex-Rumfässer befinden sich bereits darunter, und Fässer aus anderen Hölzern wie Kastanie und Akazie. Schließlich unterliegt man hier in England nicht dem schottischen Gebot „nur Eiche“.

Tácnbora Whisky und die Ziege

Auch wenn es noch keinen Ad Gefrin Single Malt gibt, so hat man dennoch bereits einen Whisky herausgebracht. Tácnbora heißt er, was ein altes englisches Wort für „standard-bearer“ ist. Der Fahnenträger zog in der Schlacht dem Heer voran und ging oder ritt auch an der Spitze des königlichen Trosses. Ein passender Name für eine Vorab-Abfüllung, finde ich. Es handelt sich um einen Blended Whisky, der Whisky der Länder vereint, die das Königreich Northumbria einst maßgeblich beeinflussten und auf denen seine Kultur und auch seine Bevölkerung basierte. Schottland, England, Irland und Skandinavien.

Gefinisht wurde er in Virgin Oak und Oloroso Sherryfass. Ich konnte ihn im damaligen Übergangs-Visitor Center einige Straßen von der Brennerei entfernt probieren. Es ist ein nichtrauchiger Whisky, sehr weich, geprägt von Vanille und Honig, von Zitrusfrüchten und Rosinen, Nüssen, und einem Hauch würziger Holznoten.

Die Flagge König Edwins zierte im 7. Jahrhundert übrigens der Kopf einer Ziege (ja, kein Löwe, kein Drache, kein Einhorn, sondern eine Ziege). Wer sich bisher gefragt hat, was das Logo der Ad Gefrin Distillery denn wohl darstellt, hat also jetzt darauf eine Antwort, denn an dieses historische Banner soll es erinnern.

 

Thanks to Ben Murphy for showing me around and explaining not only the Ad Gefrin Whisky idea, but giving also a short lesson in Anglo-Saxon history. I’ll have to come back and see the completed museum in all its glory!