Am Fuß der Pentland Hills im Süden Edinburghs liegt der drei Hektar großer Garten der Familie Armstrong, in dem über 600 verschiedene Pflanzen wachsen. Ganz natürlich werden sie herangezogen und gepflegt, weder Kunstdünger noch Pestizide, Herbizide oder sonstige chemische Mittel kommen zum Einsatz. Die Armstrongs setzen auf organischen Kompost und Permakultur, auf Handarbeit und den Verzicht auf Erntemaschinen.

Eigene Bienenvölker sorgen für die Befruchtung der Pflanzen und wenn ein kalter Winter bevorsteht, dürfen sie sämtlichen produzierten Honig als Futtervorrat behalten. Klingt irgendwie nach einem Stückchen Paradies, oder? Wenn ich in einigen Wochen wieder in Schottland bin, muss ich dort unbedingt einmal vorbeischauen. Vor allem, weil die Kräuter und Früchte im „Secret Garden“ für einen wunderbaren Verwendungszweck heranwachsen: Sie dienen als Botanicals für einen Gin.

It’s all about balance

Seit 2012 befindet sich der Garten im Besitz der Armstrongs, seit 2017 arbeitet hier auch die Garden Distillery. „Everything in nature is about balance and we believe that everything we do should try to reflect that balance“ steht als Credo und Vision über ihrer Arbeit im Garten und in der Brennerei.

Die Schwestern Isobel und Imogen setzen auf Nachhaltigkeit und CO2-Minimierung. Noch vor Ende 2025 wollen sie ihr Net-Zero-Ziel erreicht haben und bis 2030 sogar CO2-negativ arbeiten. Sie beziehen Wasser aus ihrem nahen Bohrloch und lassen die Flaschen im vereinigten Königreich herstellen, mittlerweile schon zu 70% aus recyceltem Glas.
Grundlage der Produktion ist Bio-Neutralalkohol. Die Botanicals für ihren Gin kommen aus dem Secret Garten, dabei bilden vier die Basis für alle Ginvariationen: Wacholder, Koriander, Winter-Bohnenkraut und Angelika. Eine Beere, ein Samen, ein Blatt und eine Wurzel. Für verschiedene Ginvariationen kommen andere Botanicals dazu, einige entstehen als London Gins, bei anderen kommen nach dem Destillieren Infusionen dazu.

In zwei kupfernen Brennblasen wird unter der Leitung von Head Distiller Mark Boswell destilliert, von erhaltenen 79% vol wird ganz langsam herunterverdünnt. Meist auf 40% vol – für die Armstrongs die ideale Stärke ihrer Gins. Weder Zucker noch künstliche Aromen oder Farbstoffe kommen in der Secret Garden Distillery zum Einsatz.

Secret Garden Gins im Glas

Soweit der angelesene Hintergrund – Zeit, der Theorie die Verkostungspraxis folgen zu lassen. „Möchtest du die Gins probieren?“ hatte mich Corinna Schwarz vom deutschen Importeur Alba Import gefragt und mir Produktproben zugeschickt. Vielen Dank!

Secret Garden Wild Gin

Dieser London Dry Gin ist so etwas wie der „Standard“ der Brennerei. Elf Botanicals kommen zum Einsatz. Neben den grundlegenden Botanicals Wacholder, Koriander, Winter-Bohnenkraut und Angelika unter anderem Gagelstrauch und Brennessel. Die anderen werden nicht verraten – irgendwie muss der Name „Secret“ ja vermutlich gerechtfertigt sein…Ein feiner Duft kennzeichnet ihn, er zeigt sich am Gaumen schmeichlerisch weich, süß und würzig gleichermaßen. Ein Hauch floraler Noten zeigt sich am Anfang. Ausgeglichen. Die Balance, von der die Armstrongs sprechen, setzen sie im Gin um. Ein schöner Allrounder, pur im Glas wie auch im Tonic. Da würden ihm aber ein paar Prozente mehr guttun, wenn man über ein Mischungsverhältnis von 1:1 oder 1:2 hinausgehen möchte.

Secret Garden Winter Gin

In der Beschreibung ist von weihnachtlichen Aromen, Zimtschnecken und Lebkuchengebäck die Rede und ich fürchte ein wenig, einen überladenen Gin im Glas zu haben. Ich mag Zimt – in Maßen und im Gebäck. Wenn Zimt im Gin auftaucht, dann ist mir das meist too much. Vom Winter Gin bin ich deshalb überrascht. Da ist ein Hauch Zimt, aber er hält sich die Waage mit Wachholder, Kardamom und anderen würzigen Noten. „Weihnachtlich“ erscheint er mir, da würde ich mehr Orange erwarten –das ist natürlich eine persönliche Wahrnehmung. Mir ist der Winter Gin dann sogar ein wenig zu ausdrucksschwach, nach dem ersten Eindruck der Süße und der Gewürze flacht er schnell ab.

Secret Garden Pinot Noir Gin

Hier haben wir es mit einer besonderen Abfüllung zu tun, bei denen in den eigenen Gewächshäusern gezogene Pinot Noir und Pinot Meunier Trauben ins Spiel kommen. Sie werden im Basis-Gin mazeriert, und zwar ein ganzes Jahr lang. Durch mehrfache Filterungen wird der Gin danach geklärt, eine zarte Farbe behält er aber. Bei ihm hat man sich für eine Alkoholstärke von 46% vol entschieden. Feiner Duft steigt aus dem Glas auf, Wacholder und Beerenfrucht. Es ist aber kein tiefaromatisches, überwältigendes Beerenbuket, ganz zart nehme ich Anklänge von Johannisbeeren und Erdbeeren war. Am Gaumen dann wieder die Secret Garden–typische Süße und die fruchtigen Noten gehen auf. Zart und fein. Nein, ich kann hier keine Üppigkeit erkennen, von der ich in manchen Beschreibungen lese. Dieser Gin ist zartgliedrig, er ist ein feiner Sipping-Gin, der in einem Tonic unterzugehen droht. Ich versuche ihn trotz Skepsis im Negroni, der auf der Homepage von Secret Garden für den Pinot Noir Gin empfohlen wird. Im Zusammenspiel mit Vermouth und Campari ist aber die einzig prägende Note, die der Gin hier liefern kann, eine außergewöhnliche Süße. „Den wirst du pur trinken wollen!“, hatte Corinna prophezeit – Recht hat sie! Bei mir kommt er zukünftig nur pur ins Glas oder allenfalls 1:1 mit einem zarten Tonic und ein paar Himbeeren oder Johannisbeeren.