Beeindruckende Berge, malerische Täler, Gebirgsbäche, die in ihrem steinigen Bett verträumten Seen entgegenstreben –der Lake District in Cumbria begrüßt uns Mitte Juni in beeindruckender Schönheit und mit phantastischem Wetter. Nach unserem Besuch der Cotswolds Distillery legen wir hier im Nationalpark drei Tage Wandern und Seele-baumeln-lassen ein.
Das Tor zur Lakes Distillery
Bevor es dann weitergeht Richtung Schottland habe ich noch eine Verabredung mit Paul Currie, Gründer und Managing Director der The Lakes Distillery. In der Nähe von Cockermouth direkt am River Derwant liegt die Brennerei, deren beeindruckendes Eingangstor uns (ich bin mit meinem Mann unterwegs) sofort fasziniert. Der Künstler Alan Dawsan fertigte diese Arbeit an, basierend auf einer Idee von Chairman Nigel Mills. Er nahm dabei die Pflanzen in den Blick, auf denen die Produkte der Brennerei basieren. Gerste und Weizen für den Whisky und Wacholder, Mädesüß, Angelika, Heidekraut und Weißdorn für den Gin. Auch das vierblättrige Kleeblatt taucht auf. Dieses alte keltische Symbol für Treue, Hoffnung, Glück und Liebe wurde beim Renovieren der alten Gebäude an verschiedenen Stellen im Mauerwerk entdeckt und sorgsam restauriert.
Der Innenhof der Brennerei wird gesäumt von den wiederauferstandenen viktorianischen Steingebäuden und hier herrscht reges, aber nicht hektisch anmutendes Treiben. Im vorderen Bereich ist das Visitorcenter mit großzügigem Shop untergebracht und im hinteren Bereich erstrecken sich nach rechts und links Café und Bistro mit Sitzmöglichkeiten drinnen und draußen. Auf der linken Seite geht es dann zu den Produktionsbereichen. Es ist nicht zu übersehen: Dies ist eine „Besucherdestillerie“. Der Komfort der Besucher und die äußere Attraktivität der Brennerei spielen eine mindestens ebenso große Rolle wie die Destillate selbst, um die es hier geht. Und diesen Komfort genießen wir dann in vollen Zügen: Ein Platz in der Sonne, eine Tasse Tee, ein interessanter und informativer Plausch und Brennereirundgang mit Paul Currie.
Whisky liegt Paul im Blut: Sein Vater Harold Currie, der zuvor Managing Director bei Chivas gewesen war, hatte die Arran Destillery aufgebaut und dort 1995 mit der Produktion von Whisky begonnen. Paul unterstütze ihn, arbeitete intensiv mit und ließ sich damals bereits von Harolds Vision von einer Whiskybrennerei im Lake District anstecken. Ein Familienurlaub 2010 in dieser Region bestärkte Paul dann in seiner Meinung, dass hier genau der richtige Platz wäre für eine neue Destillery. Ideale geografische Voraussetzungen hier in der wasserreichen Gegend im Norden Englands sind gegeben und ein Aspekt war ein nahezu unschlagbares Argument für den Geschäftsmann Paul Currie: Der Lakes District ist die wohl begehrteste Urlaubsregion Englands und in die touristische Infrastruktur würde eine Brennerei mit Besucherzentrum und Café perfekt hineinpassen.
Eine Baugenehmigung in einem Nationalpark zu bekommen ist nicht die leichteste Aufgabe, aber als Paul nach einiger Suche im Dezember 2010 auf die 160 Jahre alten Gebäude einer ehemaligen viktorianischen Farm stieß, war er seinem Ziel ein großes Stück näher gekommen. Seit 20 Jahren standen sie bereits leer und waren in keinem guten Zustand. Doch die vorhandenen Gebäude waren weitläufig genug, um darin eine Destillerie, Lagerräume, Shop, Café und Bistro unterzubringen. Denn das war klar: Eine Genehmigung zum Anbau weiterer Gebäudeteile würde es nicht geben. Das Lake District National Park Planning Board war zunächst „not amused“ und hätte die Brennerei lieber in städtischem Gebiet als hier draußen im Grünen gesehen. Doch die Verantwortlichen ließen sich bei einem Vor-Ort-Termin überzeugen und erteilten im September 2011 die Baugenehmigung für die Lakes Distillery. Als Unterstützer und Mitstreiter für das Projekt Lakes Distillery gewann Paul den Unternehmer Nigel Mills, dem das Trout Hotel in Cockermouth gehört, den Whiskyexperten Dr. Alan Rutherford, Chris Anderson, einem erfahrenen Brenner und dem Brauingenieur John Bowler. Über Fundraising und Investorensuche wurde die finanzielle Grundlage sichergestellt und die Arbeiten konnten beginnen. Im Dezember 2014 liefen die Brennblasen an.
100.000 Besucher zählte man in der Lakes Distillery bereits im ersten Jahr und sie mussten nicht mit leeren Händen nach Hause fahren: Es gibt bereits einen eigenen Gin und Vodka zu kaufen und mit „The One“ hat die Lakes Distillery von Anfang an bereits ein eigenes Whiskylabel zu bieten. Es ist natürlich noch nicht der eigene, hier produzierte Whisky, der schlummert noch in den Fässern, sondern ein leichter, fruchtiger Blend aus Whiskys von Brennereien, die über die Britischen Inseln verteilt sind. Kein schottischer, englischer, walisischer oder irischer Whisky also, sondern ein britischer. Der einzige seiner Art, meint Paul stolz, deshalb „The One“.
Ein Blick hinter die Kulissen
Schauen wir einmal mit ein paar Bildern hinein in die Destillerie, in der das Produktionsvolumen laut Paul von derzeit 150.000 Liter demnächst auf fast 300.000 Liter erhöht werden soll. Die semi-lauter Mashtun von Musk Engineering und vier 6.000 Liter – Edelstahl-Washbacks (ebenfalls von Musk) leisten den beiden Brennblasen Susan und Rachel (jede mit einer Kapazität von 5.500 Litern) in einem Raum Gesellschaft. Die beiden Hübschen sind benannt nach den Frauen von Chairman Nigel Mills und MD Paul Currie und wurden von McMillan produziert, einem Betrieb bei Edinburgh – schottische Produkte also 😉 . Das Mashing dauert rund 6 Stunden, die Fermentationsdauer beträgt etwa 90 Stunden – man legt hier Wert auf eine betont lange Gärung. Im hinteren Bereich des Raumes befindet sich die dritte kupferne Lady: „Chemmy“ mit einem Fassungsvermögen von 1.500 Litern wurde benannt nach der Sportlerin Chemmy Alcott, die Ambassadorin für die Lakes Distillery ist. Diese Brennblase wird nicht nur für die Ginherstellung genutzt, sondern erzeugt auch Grain Whisky aus Weizen.
Was Whisky werden will, muss lagern – auch in England. In den Lagerhäusern der Lakes Distillery (eines hier auf dem Gelände, ein weiteres in Cockermouth) sind hauptsächlich Ex-Bourbon Fässer zu finden und einige Sherry- und Portfässer. Alles Eichenfässer. Aber da man hier in England ja nicht an die schottischen Regulierungen, sondern nur an die EU-Verordnungen gebunden ist, würde es Paul auch reizen, vielleicht auch einmal mit anderen Holzarten zu experimentieren. Ahorn vielleicht oder Walnuss, meint er.
Zum Schluss laufen wir noch ein paar Schritte hinüber zum River Derwent, der Wasserquelle der Lakes Distillery. „River of Oaks“ bedeutet das gälische Wort „Derwent“ übrigens, Fluss der Eichen.
Wir sind gespannt auf den ersten The Lakes Whisky, der nicht vor Ende 2017 auf den Markt kommen kann, wenn man die nötige dreijährige Lagerzeit berücksichtigt. Aber ob der Whisky bereits für den allgemeinen Verkauf so jung abgefüllt wird, lässt Paul noch offen. Wer allerdings Mitglied des Founder’s Club ist, darf sich über 10 Jahre hinweg jedes Jahr über eine Flasche aus den ersten 100 Fässern der Lakes Distillery freuen und die Entwicklung miterleben.