Schon seit einem Jahr warteten sechs kleine Flaschen mit Whiskyabfüllungen aus der Kavalan Range in unserem Schrank zuhause geduldig darauf, verkostet zu werden. Sie waren in einem Paket aus Taiwan gekommen mit vielen Grüßen von Master Destiller Ian Chang, den mein Mann Frank und ich im vergangenen Jahr auf der Finest Spirits in München getroffen hatten (Ihr erinnert euch? Hier geht’s zum Bericht von damals. Dort gibt’s auch einige Hintergundinfos zu Kavalan).
Als ich vor einigen Wochen bei einem Women&Whisky-Event in München mit Julia Nourney und MargareteMarie darüber ins Gespräch kam, waren sie begeistert von der Idee, eine kleine Kavalan-Tastingrunde zu veranstalten. Letzten Samstag war es dann soweit und die beiden kamen nach Balingen – natürlich nicht, ohne vorher noch gemeinsam mit Frank und mir die Hohenzollernburg besichtigt zu haben. Das gehört zum Besuchsprogramm im Zollernalbkreis einfach dazu!
Bei den Kavalan Whiskys blieb es allerdings nicht
Im Zusammenhang mit meiner Redaktionsarbeit für Ginobility sollten dringend einige Gins geöffnet werden und auch Julia hatte Gins, Tonic Waters und einen Rum zum Tasten dabei. Nun denn! Erstmal eine feste Grundlage geschaffen, dann ging es an die Flüssigkeiten. Mit Julia hatten wir eine Expertin am Tisch, wie man es sich besser gar nicht wünschen kann. Bei MargareteMarie und mir geht es im Grunde immer „nur“ um die Frage „Wie schmeckt das?“ und „Schmeckt MIR das?“, doch Julias geschulte Sinne riechen und schmecken heraus, ob Gärung und Destillation korrekt durchgeführt wurden, ob die Fassauswahl glücklich war und anderes Hintergründiges mehr.
Es sollte nur eine ganz private Tastingrunde sein,
aber irgendwie verselbstständigen sich Dinge manchmal – kennt ihr das? Wie Bloggerinnen nunmal sind, dokumentierten MargareteMarie und ich und wir fotografierten viel. Ein Bild auf Facebook gestellt, noch eins und noch ein paar. Nette Antworten kamen und wir ließen die Welt da draußen in Bildern teilhaben an unserem Abend, der zur langen Nacht wurde. Einer genialen Tastingnacht mit vielen tollen Entdeckungen, mit Austausch, mit ernsthaftem Tasten und mit heiterem Vergnügen. Und nach einigen wenigen Stunden Schlaf waren wir uns beim Frühstück auf der sonnigen Terrasse einig: Das müssen wir unbedingt wieder machen! Und positives Feedback kam sofort von verschiedenen Seiten, von Freunden und Bekannten aus der Spirituosenwelt: Bleibt dran an dem Thema Frauentasting und macht weiter. Der Montag war voller Mails, Chats und Ideen und am Abend stand fest: The Sharing Angels (Danke, Corinna, für den Impuls zum Namen!) werden sich wieder treffen, um zu tasten und gemeinsam Spaß an Whisky und Co. zu haben.
„Was war jetzt mit dem Kavalan Tasting?“
fragt sicher mancher unter euch. Genau, das muss jetzt unbedingt noch Thema sein! Sechs Single Malts haben wir verkostet und ich will euch meine Eindrücke nicht vorenthalten. Ab und an ergänze ich Julias Bemerkungen, die noch einmal eine ganz andere Dimension haben. MargareteMarie hat ihre Tastingnotes auf ihrem eigenen Blog whiskyundfrauen.blogspot.de präsentiert. Unsere Punkteskala reichte übrigens von 0 bis 10.
King Car Whisky Conductor 46 %Vol.
Nase: leichte Frucht, Trockenfrucht, Vanille, Karamell
Geschmack: Getreide, wieder Trockenfrucht, aber auch Zitrusnoten – Orange? Ein Hauch Bitterkeit (Julia hatte Grapefruit und deutliche Röstnoten)
Nachklang: angenehm warm und leicht spicy
Ein ordentlicher Whisky, der sich angenehm trinken lässt und mir würzig-wärmend in Erinnerung bleibt. 7 Punkte
Kavalan Single Malt 40% Vol.
In der Nase habe ich einen frischen und hellen Eindruck (Julia ist begeistert – endlich mal jemand, der auch in Farben riecht, meint sie) Ich rieche Vanille und Banane, Milchschokolade.
Im Geschmack gibt sich der Whisky sahnig und cremig, aber würziger als in der Nase. Die helle Schokolade ist noch da, aber die Frucht ändert sich, wird dunkler. Kirsche? Ich habe auch leicht bittere Noten, aber in sehr angenehmen Maß.
Im Nachklang habe ich dann eher dunkle Schokolade und eine leichte Fruchtigkeit wie Orange.
Okay, wer hat gesagt, ein ordentlicher Single Malt muss aus Irland oder Schottland kommen??? 8 Punkte
Kavalan Concertmaster Port Cask Finish 40% Vol.
In der Nase irgendwie süß-säuerlich. Tropische Frucht und Johannisbeere (Julia fühlt sich in einen Asia-Shop versetzt und wittert Jasmin und Seife).
Beim Geschmack dann eine Ernüchterung. Was ist das? Schokolade mit gerösteten Haselnüssen? Aber irgendwie fade und schwach auf der Brust; kaum Frucht, dafür bittere Aromen (Fachfrau Julia hat wieder einen Asia-Shop und folgert: Die deutlichen seifigen Aromen können ein Hinweis darauf sein, dass wohl zu schnell auf Trinkstärke herunterverdünnt wurde. So kriegen wir auch noch eine Lehrstunde nebenbei).
Der Nachklang ist ähnlich enttäuschend. Floral und leicht bitter.
Resümee: Kann man trinken, aber das wird vermutlich kein Dauergast in meinem Regal. 6 Punkte
Kavalan Solist Ex-Bourbon 58,2% Vol.
Die Nase verheißt eine wunderbare Begegnung: Birne, Rosine, Sahne, Zimt.
Und der Geschmack bestätigt den ersten Eindruck: Der Whisky macht sich breit im Mund, ist sahnig und würzig, reife Birne, Honigkuchen
Der Nachklang ist warm und sehr weich, die Birne bleibt, es wird leicht spicy im Hals, aber sehr angenehm.
Genial. Ist sowas heute Abend noch zu toppen? Wir waren übrigens alle von diesem Whisky begeistert. Allgemeines Ahhhh und Mmmmmh füllte den Raum 🙂 9 Punkte
Kavalan Solist Vinho Barrique 57% Vol.
In der Nase überreife Erdbeeren, Gewürze, etwas blumig
Beim Geschmack sind die Erdbeeren dann aber weg. Kaum Fruchtnoten. Wo ist der Ausbau im Weinfass hin? Dafür Holz und Nuss. Etwas Bitterkeit und Pfeffer
Der Nachklang ist nicht so lang wie erwartet. Pfeffrig und spicy.
Schade, irgendwie hatte ich mir mehr erhofft und hatte ihn vom Tasting damals auf der Finest Spirits anders in Erinnerung. Haben wir vielleicht einfach ein schlechtes Fass erwischt? Notiz: Bei Gelegenheit nochmal eine Vergleichsprobe aus einem anderen Fass besorgen! 6 Punkte (edit: siehe Ergänzung am Schluss)
Kavalan Solist Sherry 58,7% Vol.
Meine Nase sagt deutlich: Sherry. Trockenfrüchte, Honig, Karamell
Der Geschmack sagt: Ist der trocken! Der Gaumen ist sofort rauh. Starke Gewürze, Pfeffer, Bitterkeit. Aber da ist auch Kirsche. Mon Cheri. Und plötzlich kommt die Erinnerung hoch an Omas Wohnzimmerschrank. Sind bei euch auch manchmal Geruch und Geschmack so stark mit bestimmten Erinnerungen verbunden? Meine Oma bewahrte Süßigkeiten, Schokolade und Spirituosen immer in einem Wohnzimmerbuffet aus ganz dunklem Holz auf. Darin roch es so ganz eigentümlich nach Schokolade und Holz. Und genau das hatte ich hier. Und was macht die Erinnerung an Omas Süßigkeitenschrank mit mir? Genau – der Whisky ist lecker! Trocken zwar und leicht bitter, aber auch süß und schokoladig. Auch MargareteMarie verdreht verzückt die Augen und vergibt Traumnoten. Und dann holt uns Julia ganz hart in die Realität zurück: Holz, Holz, Holz – bitter, zu trocken! Zuviel Fass! Ach Julia, manchmal ist es schöner, sich nicht so gut auszukennen ;-).
Der Nachklang ist sehr trocken, es bleibt ein rauher Gaumen und eine belegte Zunge zurück. Egal, „Holz, Holz, Holz“ zum Trotz – wegen der schönen Erinnerungen 9 Punkte von mir.
Ich beschließe diesen Beitrag also mit einem kräftigen Cheers! und erhebe ein Glas Kavalan Solist Ex-Bourbon auf euer Wohl. Ich danke für eure Aufmerksamkeit und eure Ausdauer beim Lesen!
Edit 5.12.2014:
Kavalan Vinho Barrique bekommt eine zweite Chance
Nach diesem Tasting hatten wir sofort ein „Re-Tasting“ des Vinho Barrique es auf unsere To-Do-Liste gesetzt. Am Rande des Züricher Whiskyschiffs konnte ich mit Julia Nourney eine Probe einer anderen Abfüllung probieren, die uns Jana Schiewer von Kavalan freundlicherweise zur Verfügung gestellt hatte.
Kavalan Solist Vinho Barrique 59,2%
Farbe: bernstein mit rötlichen Reflexen
Nase: extrem weinig, leicht süßlich, würzig und leicht sprittig, grüne innere Schale einer Walnuss, Holz!
Gaumen: reife Äpfel und Birnen, Walnuss (immer noch etwas grün), kräftig würzig, etwas Leder, Mon Cheri, Holz, mit starker Verdünnung etwas heuartig
Nachklang: würzig und wärmend, leicht pfeffrig an den Zungenseiten, das Holz bleibt
Bemerkung: Absolut begeistern tut er uns immer noch nicht, ist aber besser als die erste Probe, die wir gemeinsam verkostet hatten. Hier ist auf jeden Fall die Frucht vorhanden, die wir beim ersten Tasting vermissten.