Wenn ein Whiskyfan vom Lagavulin 16 Jahre spricht, dann schwingt nicht selten ein wenig Ehrfurcht mit in der Stimme. Kaum ein Standardwhisky der großen Spirituosenunternehmen hat so wenig Kritik einzustecken wie er. Lagavulin ist einfach „eine Bank“, wenn es um einen rauchigen Single Malt Whisky geht. Vorausgesetzt natürlich, man mag getorften Whisky. Mit einem „Der geht immer“ werden Bilder dieser Flasche in den sozialen Medien oft kommentiert und ich unterstreiche diese drei Worte gerne ganz dick.
Lagavulin – der Ledersesselwhisky
Viele Whiskys sind emotional mit bestimmten Bildern oder Gefühlen verknüpft. Ist das bei euch nicht auch so? Es hängt mit den Situationen zusammen, in denen man sie kennengelernt hat. Mit Erinnerungen an Erlebnisse, oder vielleicht auch mit den Assoziationen, die ihr Aroma hervorrufen. Wenn ich ein Setup für den Lagavulin 16 entwerfen müsste, ein Szenario, in das er nahtlos hineinpasst, dann würde ich einen fetten Ledersessel vor ein loderndes Kaminfeuer rücken. Nick Offerman ist mein Held, denn genau so präsentiert er sich in seinen Lagavulin-Videoclips oft.
Im Herbst habe ich einen Lagavulin 16 mit an die Nordsee genommen. Ich dachte, ich mache es einmal wie die einfallsreichen Instagrammern, die ihre Flaschen an besonderen Orten in Szene setzen. Im Rucksack kam die Flasche mit ins Watt. Dort positionierte ich sie sorgfältig. Entstanden sind tolle Bilder, aber hinterher habe ich zu meinem Mann gesagt: „Irgendwie passt das gefühlsmäßig für mich nicht. Dafür hätte ich vielleicht besser einen Talisker mitgenommen.“
Lagavulins Geschichte und Herkunft
Lagavulin ist auf der Insel Islay zuhause, auf der kleinen Insel vor der schottischen Westküste. Für viele ist sie das Mekka des rauchigen Whiskys. Als offizielles Gründungsdatum von Lagavulin wird 1816 genannt. Es war das Jahr, in dem John Johnsten in der Bucht an der Südostküste Islays seine kleine legale Brennerei eröffnete. Diese Bucht ist „das Tal, in der die Mühle steht“, das dem Whisky seinen gälischen Namen gibt – Lagavulin.
Auch vor 1816 wurde dort schon Whisky gebrannt. Ohne offiziellen Segen, eher als „freies Handwerk“, das so mancher Farmer- und Fischerfamilie beim Bestreiten ihres Lebensunterhaltes half. Archibald Campbell Brooks betrieb in dieser Bucht eine zweite „ordentliche“ Brennerei. Sie wurde später in Lagavulin eingegliedert, ist auf der Webseite von Diageo zu lesen. Der bekannte Whiskyautor Alfred Barnard schrieb allerdings 1887 nach seinen Reisen in seinem Buch The Whisky Distilleries of the United Kingdom: „…in the year 1835 they (the buidings) came into the possession of the present firm, who repaired the place and made considerable additions and improvements“. Wer also wen übernommen hat, sei dahingestellt, und das hat wohl auch keinen Einfluss mehr auf die heutige Brennerei.
Lagavulin und das weiße Pferd
1861 steigt die Familie Mackie in die Brennerei ein. Zunächst James Logan, später sein Neffe Peter, „Restless Peter“. Der stellte in der Whiskyindustrie wesentliche Weichen. Ihm ist unter anderem der Siegeszug des White Horse Blends zu verdanken, dessen rauchiges Herz aus Lagavulin bestand. Dieser rauchige Charakter des Lagavulin, so lautete damals der Vorwurf der Brennerei Laphroaig, sei eine Kopie ihres getorften beliebten Stils. Man lebte wohl nicht in harmonischer Nachbarschaft…
Zwischenzeitlich wurde auf dem Gelände von Lagavulin übrigens eine weitere Brennerei betrieben, Malt Mill genannt. Wer den Film „The Angels‘ Share“ kennt, hat bereits von ihr gehört. Gebaut 1908 von Peter Mackie, wurde sie 1960 wieder geschlossen und in Lagavulin integriert.
1927 übernimmt die Distillers Company Limited Lagavulin und White Horse Distillers. Sie geht ihrerseits 1986 in Guinness & Co. auf. Ein Jahr später wird daraus United Distillers, inzwischen Diageo.
Die Classic Malts definieren die schottischen Whiskyregionen neu
1988 gelingt dem Unternehmen mit der Einführung der „Classic Malts“ ein genialer Coup: Man definiert und bewirbt sechs klassische Whiskyregionen, denen jeweils eine stellvertretende Brennerei zugeordnet wird. Die Lowlands (Glenkinchie), die Highlands (Dalwhinnie), die Speyside (Cragganmore), die West Highlands (Oban), Skye (Talisker) und Islay (Lagavulin).
Diese Einteilung stimmt nicht mit irgendwelchen offiziellen Grenzen überein oder mit den Definitionen der Scotch Whisky Association. Aber die Classic Malts helfen nicht nur Diageo, seine Whiskys neu zu positionieren, sondern sind wohl auch maßgeblich am steigenden Erfolg des Single Malts an sich beteiligt. Der Lagavulin 16 wird zum bekannten und begehrten Klassiker. Weltweit ist er einer der meistverkauften Single Malts.
Soweit Lagavulins Geschichte in unwissenschaftlicher Kurzfassung.
Die Herstellung des Lagavulin 16 Jahre
Mit einer Produktionskapazität von 2,6 Millionen Liter jährlich gehört Lagavulin bei weitem nicht zu den Großbrennereien. Eine Mashtun aus Edelstahl mit 4,4 Tonnen Fassungsvermögen, 10 Washbacks aus Lärchenholz mit je 22.000 Litern (Fermentationszeit 55 Stunden) und zwei Paar Brennblasen betreibt Lagavulin. Die sind in mancherlei Hinsicht ungewöhnlich: Zum einen sind die Spirit Still mit 12.500 Litern ein wenig größer als die Wash Stills mit ihren 11.000 Litern, zum andern sorgt die Birnenform ohne Einschnürungen ebenso wie der steil abfallende Lyne-Arm für wenig Kupferkontakt. Das prägt den schweren Charakter des Lagavulins. Ein Phenolgehalt des Ausgangsgetreides von 35 – 40 ppm verschafft ihm den deutlichen Rauch.
Gelagert wird Lagavulin Whisky in vielen verschiedenen Fasstypen, der Großteil des New Spirits wandert aber in Ex-Bourbonfässern. Nur selten handelt es sich dabei um Erst- oder Zweitbefüllungen. Die meisten der Lagavulin-Fässer lagern übrigens nicht auf Islay, sondern in Lagerhäusern von Diageo auf dem schottischen Festland. Die Bourbonfässer prägen maßgeblich den Lagavulin 16 Jahre, der durch ein mehrmonatiges Nachreifen in Oloroso-Sherryfässern zur Lagavulin Distillers Edition wird.
Abgefüllt wird der Lagavulin 16 Jahre kühlgefiltert und mit 43% vol. Damit die Farbe durch die großen Batches hindurch immer konstant ist, wird sie mit Zuckerkulör angeglichen.
Wie schmeckt Lagavulin 16 Jahre?
In der Nase habe ich sofort diesen intensiven, schweren Rauch wie von langsam kokelndem Lagerfeuer. Teeraromen, feuchter Keller, auch mineralische Noten lassen sich erkennen.
Im Mund macht sich der Lagavulin 16 so wunderbar breit, vermittelt ein warmes und weiches Mundgefühl, zugleich auch eine salzige Trockenheit. Ein Hauch Vanille, ein Hauch Orange mit einer Prise Metalligkeit. Und um alles herum schwelt dieses Lagerfeuer, halten sich die intensiven Holzkohlenoten, die ein wenig in Richtung süßem Pfeifenrauch gehen.
War Lagavulin 16 Jahre früher besser?
Sollte man heute noch Lagavulin 16 kaufen? Wo er doch früher viel besser war, wie man es in Whiskyforen immer wieder liest? Müßig, darüber zu diskutieren. Sicher hat der Lagavulin 16 vor zwanzig Jahren ein wenig anders geschmeckt als heute. Der Druck, große Mengen Whisky zu erzeugen, war geringer als heute, die Fermentationszeiten vermutlich länger, die Fässer aktiver… Wohl dem, der noch alte 16-jährige Lagavulins im Bestand hat, um sie im Vergleich mit den heutigen zu verkosten. Oder vielleicht doch nicht – schenken wir uns den heutigen Lagavulin 16 Jahre lieber ohne große Kopfarbeit ins Glas und genießen ihn einfach. Ich tu’s jedenfalls, auch heute noch.