The Oxford Artisan Distillery. Teil 2: Gebrannt in Nautilus und Nemo

 

The Oxford Artisan Distillery. Teil 2: Gebrannt in Nautilus und Nemo

Darf ich euch Nautilus und Nemo vorstellen? Es sind die Namen der beiden besonderen Brennblasen von TOAD, The Oxford Artisan Distillery. Wenn man sie betrachtet, braucht man nicht viel Fantasie, um den Bezug zu Kapitän Nemo und seinem U-Boot Nautilus aus Jule Vernes „20.000 Meilen unter dem Meer“ nachzuvollziehen. Dass die Brennblasen so ganz eigen ausschauen, liegt daran, dass sie auch eine ganz eigene Geschichte haben.

Nautilus und Nemo wurden nämlich nicht von einem Brennblasen-Hersteller gebaut, sondern von South Devon Railway Engineering, die sich auf Kessel von Eisenbahnen spezialisiert haben. Unter anderem waren sie an der Restaurierung des berühmten Dampfzuges Flying Scotsman beteiligt.

Als Tom Nicolsen und Tagore Ramoutar sich nach einem möglichen Hersteller für die Brennblasen ihrer geplanten Destillerie umschauten, kamen sie mit Paul Pridham ins Gespräch, der als Berater für das alteingesessene Kupferschmied-Unternehmen tätig ist. Er und alle Mitarbeiter von South Devon Railway Engineering waren sofort Feuer und Flamme für diese besondere Herausforderung. Eine echte Abwechslung im Dampfkessel-Alltag. Aus insgesamt 4 Tonnen Kupfer, inspiriert von karibischen Rumbrennereien und auf die individuellen Wünsche von TOAD eingehend, schufen sie von April 2015 bis zur Installation im Februar 2017 diese beiden besonderen Brennblasen, vor denen ich also Ende August stand.

Im ersten Teil meines Berichtes habe ich die Brennerei einführend vorgestellt und bin ausführlich auf ihr besonderes Getreidekonzept eingegangen. Wenn ihr diesen Beitrag noch nicht gelesen habt, so „blättert“ vielleicht kurz zurück, und zwar hierher: The Oxford Artisan Distillery. Teil 1: Historisches Getreide.

Maischen, fermentieren und brennen auf TOAD-Art

Mälzen lässt TOAD das in meinem ersten Bericht so ausführlich beschriebene Getreide bei Warminster Maltings, etwa 100 Kilometer südwestlich von Oxford. Hier wird noch traditionelles Floor Malting betrieben. Die Brennerei besitzt eine alte Mühle aus den 1920ern, darin wird das Malz dann nicht richtig zermahlen, sondern zerquetscht. Daraus wird ein „Porridge“ angerührt, das aber vor dem Vergären nicht geläutert wird. Dieser gesamte Getreidebrei wird für 4-5 Tage vergoren. Das geschieht in einem 5.000-Liter Bottich aus ungarischer Eiche.

5 Meter hoch sind die beiden Kolonnen der 2.400-Liter-Brennblase Nautilus, jede verfügt über 20 Platten. Hier kann bis zu 96,5% vol destilliert werden, genug also, um eigenen Vodka herzustellen. In Nautilus geschieht auch der erste Brand für den Whisky, dann werden die Kolonnen nicht dazu geschaltet. Die zweite Brennblase, Nemo, fasst 500 Liter.

Was in Nautilus hineinkommt, ist die vergorene Getreidemaische mitsamt den Spelzen. Durch den Maillard-Effekt in der Brennblase, so erklärt Distiller Francisco Rosa (besser bekannt als Chico), entsteht Karamell, was deutliche Auswirkungen auf das Aroma des New Makes habe.

The Oxford Artisan Distillery wird dieses Jahr etwa 150 Fässer mit New Make füllen. Mit 58-59% vol legen sie den späteren Whisky ins Fass, berichtet Chico.

Chico Rosa ist einer der beiden Master Distiller, die TOAD beschäftigt. Cory Mason gehört der Brennerei bereits seit der Gründung an, Chico stieß kurz danach zum Team dazu. Er berichtet mit Leidenschaft von seiner Arbeit, ihm ist die Freude an dieser Arbeit hier anzusehen. Seine Eltern sind Winzer in Portugal, am College entdeckte er seine Liebe zum Brennen und machte seinen Master in Brewing und Distilling an der Edinburgher Heriot Watt University. Winzer in Portugal? Na, jetzt ratet einmal, woher TOAD einige ganz wunderbare Fässer bekommt….

The Oxford Artisan Distillery: Die Verkostung

Im Anschluss an den Rundgang durch die Brennerei mit Sarah und Chico durfte natürlich auch ein Tasting der Whiskys nicht fehlen.

Oxford Rye Whisky #1, Inaugural Release

Der erste Whisky der Oxford Artisan Distillery erschien im April 2021. Es war ein Rye Whisky aus Getreide der Ernte 2017. Die Anteile der Getreide betrugen etwa 70% Roggen, 20% Weizen (beide gemischt auf einem Feld gewachsen) und 10% Gerstenmalz. Nach der doppelten Destillation in Nautilus und Nemo reifte der New Make für etwas mehr als drei Jahre in zwei Fässern aus frischer amerikanischer Eiche. Das Batch der beiden Fässer ergab 502 Flaschen, abgefüllt wurde mit 46,3% vol.
Der Whisky vermittelt ein sehr cremiges Mundgefühl, der Whisky ist nussig und süß. Rinde von frischem Brot. Eiche/Eichenwürze sind deutlich da, aber nicht dominant, Kardamom, Zimt und Chili schmeckte ich heraus. Ingwerkekse und dunkle Schokolade. Gar nicht sprittig oder metallisch-jung, sehr angenehm zu trinken.

Oxford Rye Whisky #2

Grundlage dieses Whiskys war der gleiche Getreide-Mix der 2017er Ernte. Gereift in Fässern aus frischer amerikanischer Eiche und Portweinfässern, abgefüllt wurden 973 Flaschen mit 47,4% vol.
Auch hier wieder nussige Aromen, auch Ingwerkekse, aber auch deutlich fruchtige Noten wie Brombeere, Erdbeere und Banane. Tabak und Walnuss und nach hinten hinaus frische Noten wie von Minze.

Oxford Rye Whisky #3

Auch hier die bekannte Mischung von Getreide der Ernte 2017, diesmal haben wir es mit einer Double Maturation zu tun. Der 17-monatigen Reifung in frischer amerikanischer Eiche schlossen sich 19 Monate in Moscatel de Setúbal Weinfässern aus Portugal an. Abgefüllt wurde in Fassstärke von 51,2% vol, 551 Flaschen ergab das Batch.
Fruchtig-süße Noten, Aprikose, Banane, Melone. Ein bissl wie von Fruchtgummi. Weiße Schokolade und brauner Zucker. Eichenwürze im Hintergrund, Muskatnuss, krosse Brotrinde. Auch hier wieder diese frische Minze zum Ausklang.

Oxford Rye Whisky #4

War bei meinem Besuch im Gespräch, ist aber erst vor wenigen Tagen erschienen. Ich konnte ihn leider noch nicht probieren. Whisky aus der gleichen Getreidegrundlage von 2017, aber gereift in sechs Fässern aus amerikanischer Eiche mit unterschiedlichen Größen und Toastgraden, abgefüllt mit 51,3% vol, diesmal ergab es 1.428 Flaschen.

Mein Fazit zu den Oxford Rye Whiskys

Die Rye Whiskys überraschen mich sehr, sie unterschieden sich deutlich von allem, was ich bisher an Rye Whisky probiert habe. Sie sind sehr „geschmeidig“ und cremig, leicht süß und wesentlich weniger würzig, als ich es erwartet hätte. Dass sie mit 95 – 120 Pfund sehr hochpreisig sind, wird niemand abstreiten, aber solange TOAD bei diesen kleinen Auflagen bleibt, werden sich sicher ausreichend Käufer finden. Und wie will man den Wert dieser doch so anderen Whiskys denn bemessen? Vergleiche mit anderen Produkten sind kaum möglich. Die Brennerei spielt in ihrer ganz eigenen Nische. Und das ist doch auch gut so, Massenprodukte haben wir genug.

Heritage Corn Whisky

Hierbei handelt es sich um eine bisher einmalige „Spielerei“, meinte Chico. „Grain Stories“ heißt die Reihe, in der künftig immer wieder einmal ein Experimentalwhisky aus unterschiedlichem Getreide erscheinen soll. Der erste ist dieser Maiswhisky aus Mais der Ernte 2017, der wie alle verwendeten Getreide speziell für TOAD angebaut wurde. Es handelt sich um bunten Mais, „flint corn“, wie er früher traditionell in Nordamerika angebaut wurde und um eine alte Sorte süßer Mais. Eine Tonne Mais hatte John Letts 2017 geerntet. Der Whisky entstand aus 51% Mais, 34% Roggen, 10% Weizen und 5% Gerstenmalz. Er reifte 3,5 Jahre in frischer amerikanischer Eiche, abgefüllt wurde mit 50,4%, es ergab 830 Flaschen.

Ich habe ihn probiert, aber ich muss sagen: Meins ist der so ganz und gar nicht. Süß und würzig. Da sind Banane und Ingwerkekse, wie ich sie auch in den Rye Whiskys gefunden habe, aber irgendwie schmecke ich da auch grasige und kräutrige Noten, die ich nicht mag. Dann bleib ich lieber beim Rye.

Und das Resumée?

Wenn ihr einmal in der Nähe von Oxford seid und an außergewöhnlichen Projekten interessiert seid, dann schaut unbedingt einmal in der Brennerei vorbei!

Ach, da wäre noch die Kröte: TOAD ist nicht nur die Abkürzung für The Oxford Artisan Distillery, sondern auch das englische Wort für Kröte, ein Akronym also. Dass die Brennerei sich die Kröte als Logo ausgesucht hat, ist der Liebe des Gründers Nicolson zum Buch The Wind in the Willows zu verdanken, in dem eine Kröte eine zentrale Rolle spielt.

Ein ganz herzliches Dankeschön an das Team der Oxford Artisan Distillery, vor allem an Sarah und Chico, die meinem Mann und mir mit viel Engagement und Begeisterung die Brennerei gezeigt und das Konzept dieser außergewöhnlichen Craft Distillery ausführlich erläutert haben.