The Oxford Artisan Distillery. Teil 1: Historisches Getreide

 
The Oxford Artisan Distillery. Teil 1: Historisches Getreide

Im Juli las ich eine Pressemitteilung zu einem englischen Whisky, den ich noch nicht kannte: Oxford Artisan Rye Batch 2 wurde vorgestellt. Batch 2? Dann ist wohl Batch 1 an mir vorbeigegangen. Was ich über den Whisky dieser kleinen Brennerei in Oxford las und vor allem das Bild ihrer außergewöhnlichen Brennblase machte mich neugierig. Als dann die Einreiseregelungen von Großbritannien wieder einen Besuch der britischen Insel möglich machten und ich eine Tour für den Herbst plante, setzte ich TOAD (The Oxford Artisan Distillery) kurzentschlossen auf meine Liste. Bei der Cotswolds Distillery wollte ich sowieso wieder vorbeischauen und Oxford ist da gar nicht so weit.

Und hier sind wir nun also in Oxford im Stadtteil Headington auf dem ehemaligen Farmgelände mit denkmalgeschützter Scheune aus dem 18. Jahrhundert, das seit 2017 The Oxford Artisan Distillery beherbergt. Rustikale, schlichte Gebäude, einige Parkplätze im hinteren Bereich und vor dem Eingangsbereich (einem weit geöffneten Scheunentor), einige Sitzgelegenheiten für Besucher, die auf ihre Tour warten. Hier gibt es erst einmal einen Gin & Tonic zur Begrüßung – schließlich stellt TOAD zwar auch Whisky her, ist aber schon länger für Vodka und Gin bekannt.

Zu Beginn jeder TOAD-Tour gibt es im Tastingbereich der Besucherzentrums-Scheune eine Einführung in die Geschichte der Brennerei und einen Überblick über ihre Produkte samt Verkostung des Vodkas und verschiedener Gins. Tourguide Sarah erläutert alles sehr kurzweilig, sympathisch und kompetent. Auf diese Spirituosen will ich nicht detaillierter eingehen, schließlich ist das hier ein Whiskyblog, aber zu den Rohstoffen gibt es sehr Interessantes zu berichten, das auch für die Whiskyproduktion relevant ist.

„grain to glass“ – lokal und nachhaltig

„Grain to glass“ ist die Philosophie von TOAD und „as sustainable as possible“. Seit letztem Jahr ist die Brennerei auch als organic (bio) zertifiziert. 7 Farmen im 50-Meilen-Radius um die Brennerei beliefern TOAD derzeit mit Getreide. Darunter auch Highgrove von Prince Charles, worauf Sarah schon ein bisschen stolz zu sein scheint. Von Highgrove stammen auch die Botanicals für einen ihrer Gins, andere Botanicals holt die Brennerei aus dem Botanischen Garten der Universität Oxford – das darf sonst niemand.

Als Tom Nicolsen zusammen mit Tagore Ramoutar 2017 die erste legale Brennerei gründete, die es in Oxford jemals gab, hatte er sich zuvor schon entschieden, einen besonderen Schwerpunkt auf das Ausgangsgetreide zu legen. Was TOAD hier verarbeitet, ist kein Standard-Getreide, wie es allgemein angebaut wird. Der Weizen und der Roggen für die Oxford Artisan Produkte basieren auf „ancient heritage grains“, auf alten Sorten aus der Zeit, bevor durch genetische Veränderungen ertragreiche und besonders resistente Sorten gezüchtet wurden.

Um in dieses Thema einzuführen, holt Sarah etwas aus und ich hoffe, es interessiert euch auch, sonst müsst ihr jetzt einfach gleich zum zweiten Bericht klicken, bei dem es um die Brennerei selbst und verschiedene Whiskys geht: The Oxford Artisan Distillery. Teil 2: Gebrannt in Nautilus und Nemo

Verloren gegangenes Getreide entdecken

Nicolsen holte sich mit John Letts einen renommierten Experten für alte Getreidesorten ins Boot. Er hatte ihn 2013 auf einer Messe für Farmer getroffen, auf der Letts nach Bäckern Ausschau hielt, die als Abnehmer für sein Mehl in Frage kämen. Die beiden kamen ins Gespräch, Nicolsen fand Letts‘ Getreide-Projekt faszinierend und konnte ihn überzeugen, dass man aus Getreide nicht nur Brot backen kann.
Letts beschäftigte sich als Archäobotaniker schon jahrelang und sehr leidenschaftlich mit der Geschichte und der Entwicklung von Getreide. Er stand in Verbindung mit zahlreichen Saatenbanken und suchte in Skandinavien, in der Türkei, in Österreich, Kanada und auf irischen Inseln nach Spuren und Überbleibseln alter Saaten. Auch in Großbritannien hatte er Funde im Boden ehemaliger Felder des 14. und 15. Jahrhunderts, aber vor allem auch in Strohdächern alter Cottages gemacht. Um diese Dächer betreten und untersuchen zu dürfen, machte er sogar die erforderliche dreijährige Ausbildung zum Dachdecker.

Winterroggen wurde hier früher viel angebaut, aber auch alte Weizensorten. Über 200 genetische Ausprägungen hatte Letts 1994 nachweisen können, die seit der Industrialisierung Englands Ende 18. / Anfang 19. Jahrhundert verloren gegangen waren. Die Biodiversität, der Artenreichtum, machte bis in unsere Jahre Monokulturen Platz, die auf Ertrag ausgelegt sind, resistenter gegen Schädlinge und Wetterunbillen sind und mit Dünger Höchstleistungen bringen. Wer sich alte Gemälde anschaut, wird Felder sehen, auf denen das Getreide bis zu dreimal so hoch steht wie auf unseren heutigen.

Bild: The Oxford Artisan Distillery

Auf das Entdecken folgt das Wiedererwecken

Was nun kommt, klingt ein wenig nach Jurassic Park: Diese verlorenen Getreidesorten wollte Letts retten und wieder ins Leben zurückholen. Es kostete ihn einiges an Zeit und Mühe, die Erlaubnis zum Anbauen zu bekommen. Schließlich ist gesetzlich geregelt, welches Saat- und Pflanzgut verwendet werden darf. John Letts fand Landwirte in Buckinghamshire and Oxfordshire, die ihre Äcker damit bestellten. Bei den meisten Varianten begann man mit 25 Saatkörnern – gesät, geerntet und gedroschen wurde ausschließlich per Hand. Dabei werden anders als in üblichen Monokulturen manchmal mehrere Saatvarianten miteinander auf dem gleichen Feld angebaut. Auch Weizen und Roggen miteinander ausgesät kann man erblicken.

Rund 15 Jahre dauerte es, bis aus den Kleinstmengen sichtbare Erträge wurden, die es sich lohnte, weiter zu verarbeiten. Heute wird zwar mit Mähdreschern gearbeitet, doch die Ernte sieht trotzdem anders aus als bei konventionellem Anbau. Die Halme werden nämlich nicht tief unten am Boden abgeschnitten, sondern weiter oben. Nach der neuen Aussaat werden die Halme zusammen mit dem (Un-)kraut über die Samen gehäckselt und bilden eine schützende und nährende Mulchschicht. Diese „Restorative Grain Production“ (RGP) macht das jahresweise Brachliegenlassen oder wechselnde Fruchtfolgen überflüssig (Ich bin kein Agrarexperte und hoffe, ich habe das alles mit meinem Laienverstand richtig verstanden und wiedergegeben).

Bild: The Oxford Artisan Distillery

Mit diesem Getreide arbeitet The Oxford Artisan Distillery also, mit Roggen, Gerste, Weizen und mittlerweile auch einmal mit Mais. Die Aromatik, die diese Getreide liefern, ist mit der von modernen Hybriden nicht zu vergleichen, davon konnte ich mich im Selbstversuch überzeugen. Aber nicht nur das Ausgangsmaterial ist ein Besonderes bei TOAD, auch beim Fermentieren und Destillieren geht man einen ganz eigenen Weg.

Um die Brennerei und die Verkostung der Whiskys geht es hier im zweiten Teil meines Berichts:
The Oxford Artisan Distillery. Teil 2: Gebrannt in Nautilus und Nemo