Wenn eine Brennerei die erste 10-jährige Abfüllung herausbringt, dann wird dieser Meilenstein in der Regel entsprechend öffentlichkeitswirksam angekündigt und gewürdigt. Ein Launch-Event, ein Pressetermin oder eine breit angelegte Social-Media-Kampagne kann man da schon erwarten.
Stefan Marder veröffentlicht in seinem WhatsApp-Status ein Bild mit einer kurzen Notiz „Der erste 10er“. Ich sehe es zufällig, schreibe ihn an und gratuliere ihm. Ob es denn eine Pressemitteilung oder andere Infos gibt oder geben wird, frage ich. Nein, marketingmäßig sei er recht schlecht. „Es wird am Wochenende einen Newsletter für meine Kunden geben, das war’s“.
Ich mag den Marder-Whisky und wenn ich die Standardabfüllung am Stand des Verbands Deutscher Whiskybrenner auf Messen ausgeschenkt habe, kam durch die Bank positives Feedback. Spontan verabrede ich mit ihm einen Besuch ein paar Tage später. Von mir bis zur Marder-Brennerei in Albruck im Schwarzwald sind es nur knapp 130 Kilometer – ein Klacks gegen Besichtigungstouren zu schottischen Brennereien…
Auf in den Schwarzwald
Albbruck liegt im tiefsten Südwesten Deutschlands etwa 60 Kilometer südlich von Freiburg, nur einen Katzensprung von der Schweiz und vielleicht drei Sprünge von Frankreich entfernt. „Marder Edelbrände“ heißt die Brennerei, die 1953 von Stefans Großvater Otto Marder gegründet, von seinem Vater Edmund von 1985-2008 geführt und 2009 von ihm übernommen wurde. Die Übernahme erfolgte kurz nach einem schweren Schlag für die Marders: Ein Blitzschlag richtete großen Schaden an, die Brennerei brannte ab und musste völlig neu aufgebaut werden.
Noch immer pflegt Stefan die Tradition der Edelbrennerei und stellt Brände und Liköre aus hochwertigem Obst und Geiste, z.B. aus Haselnuss, Steinpilz oder Kaffee her. Doch seit er das Ruder übernommen hat, ist Whisky zu einem wichtigen Bestandteil des Marder-Portfolios geworden (wie mittlerweile auch Gin und Rum). Nach einer Schottlandreise 2008 starteten die Marders 2009 mit dem ersten Whiskybrand.
Geläuterte Gerstenmalzwürze von einer Brauerei
Der Familienbetrieb ist aber genau das geblieben: ein Betrieb, der ausschließlich von der Familie betrieben und bewirtschaftet wird. Edmund Marder steht seinem Sohn zur Seite, wenn es gilt, die etwa 120.000 Liter Maische im Jahr zu verarbeiten. Das Obst, das von ausgewählten Lieferanten nur in bester Qualität bezogen wird, wird selbst eingemaischt, einen Maischebottich für das Malz sucht man in der Marder Brennerei allerdings vergeblich: Stefan bezieht abgeläuterte Gerstenmalzwürze von der nicht weit entfernten Privatbrauerei Waldhaus. Warum nicht auf die Erfahrung der Bierprofis zurückgreifen? Single Malt Whisky ist es also, was die Marders herstellen.
Die Destillationsanlage ist vom Unternehmen Kothe. Stefan weiß noch, wie beeindruckt er damals war, als 2008 die erste dieser Anlagen in Friedrichshafen auf einer Messe präsentiert wurde. Eine Kolonne, die nicht auf der Brennblase angebracht ist, sondern daneben steht und so einen Whiskyhelm auf der Pot Still ermöglicht. So erfährt der Marder-Whisky eine klassische doppelte Destillation durch Rauh- und Feinbrand.
Das Whiskylager bezeugt, dass Stefan beim Reifen seines Whiskys oft Ex-Bourbonfässer einsetzt, aber auch Port-, Amarone- oder Sherryfässer entdecke ich beispielsweise ebenso wie frische Fässer. Wieviele Fässer mit Whisky bei ihm schlummern, frage ich. So 200-220 sind es, meint Stefan. Im Moment kommen pro Jahr gerade nur 5 dazu, mehr schafft man als kleiner Familienbetrieb nicht. Ob er nicht vorhat, die Produktion zu vergrößern? Stefan wiegt den Kopf. Eigentlich nicht. Es muss alles im gesunden Maß bleiben, derzeit läuft es gut so.
Worauf er sich derzeit mehr konzentriert ist die Ausweitung des Gastbereiches. Gerade ist der neue Barbereich im Gastraum fertig geworden, in der neben Tastings auch kleine private Events stattfinden sollen. Dort verkosten wir auch einige Marder-Produkte, darunter natürlich der Anlass meines Besuches, der 10 Jahre alte Marder Whisky.
Marder Whisky Standard und 5 Jahre
Während der ohne Altersangabe abgefüllte Marder Standard-Whisky (5 – 6 Jahre alt sind die verwendeten Whiskys derzeit, meint Stefan) aus Portwein- und Bourbonfässern sowie etwas neuer Eiche gebatcht wird, lagerte der 5-jährige Marder Whisky in einem Amaronefass.
Der Klassiker ist schmeichelnd süß, präsentiert Honignoten, duftige Früchte und eine leichte Nussigkeit. Ein sehr feines Aroma, das von Eichenoten unterstützt, aber nicht erschlagen wird. 43% vol, die ihm gut stehen. So kenne ich ihn, den Allrounder der es auch Einsteigern in den Whiskybereich leicht macht.
Beim 5-jährigen, der in Fassstärke von 46,2 % vol abgefüllt wurde (ja, ich habe auch gestaunt…), hat das Fass einen deutlichen Eindruck hinterlassen. Es handelte sich um ein auf 120 Liter umgebautes Amaronefass, das Aromen von Pflaumen, Rosinen und dunkler Schokolade lieferte und von kräftig würzigen Eichenoten. Für mich fast too much, aber ich weiß, dass viele solch ausdrucksstarke Holzreifungen lieben. 197 Flaschen gab es von dieser Abfüllung, einige sind noch erhältlich.
Marder Whisky 10 Jahre – ein Hauch von Islay
Der 10-jährige Marder Whisky ist eine Überraschung für mich: Rauch? Ja tatsächlich. Das Geheimnis ist schnell gelüftet, denn es ist keines: Der Whisky reifte in einem Ex-Islay-Cask, in dem getorfter Whisky seine rauchigen Spuren hinterlassen hat. Es war kein Quarter-Cask von Laphroaig, wie einige andere Brennereien sie für solche Lagerungen schon eingesetzt haben, sondern ein 190-Liter-Fass. Die Brennerei stimmt aber…
296 Flaschen mit 48,3% vol ergab dieses Fass. Die Rauchigkeit schwebt leicht im Glas, am Gaumen hinterlässt sie einen trockenen, aschigen Eindruck und gebt den fruchtigen Noten des Whiskys Raum. Ein leichter, ausgewogener Whisky. Richtig schön, ich mag ihn.
Worauf können wir uns als nächste Abfüllung freuen? Stefan zuckt die Achseln und lächelt. Mal sehen. Jetzt muss sich erstmal dieser hier verkaufen. Wird er bestimmt. Ich finde ihn nicht mehr im Onlineshop – ist er schon ausverkauft? Ich frage mal nach.
Edit: Jetzt ist er im Shop zu sehen, der „Marder Whisky Single Cask Peated Aged 10 Years“, und zwar hier. Stefan meint, es gibt noch genug, er hatte noch auf das Bild vom Grafiker gewartet.