Er hatte keinen Whisky dabei, aber trotzdem gehörte Harry und dem Produkt, das er auf dem Whiskyschiff in Zürich ausschenkte, meine volle Aufmerksamkeit: Der Mitinhaber der Wolfburn Distillery war auf Einladung des Schweizer Importeurs Alexander Weine&Destillate auf die Whiskymesse gekommen, um dort erstmals das Inaugural Release von Wolfburn vorzustellen. 20 Monate gelagert wurde dieses Destillat bisher, das nach weiterer Reifung dann ab Januar 2016 dreijährig ausgeliefert wird. Hier auf der Messe konnte er vorbestellt werden. Damit man nicht die Katze im Sack kaufen musste (immerhin 245 CHF die Flasche), hatte Harry Musterflaschen dabei und schenkte den Wolfburn aus: Es war weltweit das erste offizielle Tasting der Brennerei und für mich einer der Höhepunkt hier auf der Messe (ein anderer war das Tasting des New Make von Ardnamurchan, den Alex Bruce dabei hatte).
Seit Januar 2013 wird in der Brennerei in Thurso, hoch oben an der Nordküste Schottlands, gebrannt. Zwischen 1821 und 1860 hatte es hier nahezu an der gleichen Stelle schon einmal eine Wolfburn Distillery gegeben, doch das einzige, was von der Lost Distillery überlebt hat, ist die Wasserquelle: Der Wolf Burn ist auch Lebensader und Namensgeber der neu erstandenen Brennerei. Für die Herstellung des (zukünftigen) Whiskys verantwortlich zeichnet Shane Fraser, zuvor Produktionschef bei Glenfarclas. Gemeinsam mit Iain Kerr managt er sämtliche Herstellungsschritte.
Zurück zu Harry und dem Release, von dem ich (neben dem New Make übrigens) in Zürich eine Vorab-Probe verkosten konnte: Aus drei Quarter Casks (Ex-Bourbon) gebatcht wird das Inaugural Release, was insgesamt 750 Flaschen ergibt. Wie der Noch-Nicht-Ganz-Whisky schmeckt? Absolut überraschend. Überraschend gut! Für einen 20 Monate gelagerten Spirit hat er bereits eine vielversprechende Aromenvielfalt zu bieten. Ich habe einen Hauch von Getreidenoten im Glas und schöne komplexe Frucht. Einen Rauch, der sich nicht in den Vordergrund drängt (10 ppm im Ausgangsmalz), aber sehr angenehm wahrzunehmen ist. Kein Vergleich mehr zum New Spirit, der auch mit sehr schönen fruchtigen Noten und sehr sauberer Führung punkten kann. Nur 20 Monate alt? Unglaublich.
Ich bin auf der Messe gemeinsam mit Julia Nourney unterwegs, Spirituosenexpertin und Blenderin. Ihre fachliche Meinung interessiert mich „Laien-Genießerin“ natürlich sehr. „Fruchtig-frisch mit dezenten Rauchnoten, die hervorragend eingebunden sind. Erstaunlich „reif“ für einen 20-monatigen Whisky“, äußert sich Julia zum Inaugural Release. „Das Team von Wolfburn hat bislang alles, einfach ALLES richtig gemacht! Bei meinen bisherigen Besuchen bei Wolfburn konnte ich mich jedes Mal von der hohen Professionalität, die vor Ort herrscht, überzeugen! Shane Fraser tüffelt an Details, an die auch viele ‚alte Hasen‘ in der Branche nicht im Traume denken würden.“ Und dann lässt sich Julia zu einer prophetischen Aussage hinreißen: „Das ist der Shooting Star der kommenden Jahre!“. Ein Shooting Star, der uns in Deutschland übrigens von Alba Import präsentiert wird. Und Corinna und Dietmar werden den Wolfburn bestimmt auf den nächsten Messen dabei haben, so dass ihr euch selbst ein Geschmacksbild machen könnt.
Aber wie sieht die Planung für die kommenden Jahre aus, frage ich Harry, will Wolfburn die jungen Whiskys auf den Markt bringen oder wird „gebunkert“, um dann in einigen Jahren einen großen Auftritt zu haben? Von beidem ein wenig, meint Harry. Geplant ist, alljährlich ein Release herauszubringen, das von Jahr zu Jahr ältere Anteile enthält. Gebatcht also aus Fässern jeder Altersstufe, so wie wir es ähnlich auch beim Kilchoman Machir Bay mitverfolgen konnten. Doch nicht nur das Alter der verwendeten Whiskys wird von Jahr zu Jahr variieren, es werden auch jeweils andere Fasssorten hinzukommen. Nach dem reinen Quarter Cask Batch eines aus Quarter Casks und Ex-Bourbon, im Jahr darauf wird sich auch Whisky aus dem Ex-Sherry-Fass dazugesellen. Nach 5 bis 6 Jahren wird ein vorläufiger Standard angepeilt, der Konstanz hineinbringen soll. Aber nur rund 20 Prozent der Produktion wird jeweils abgefüllt, der Großteil bleibt zum längeren Reifen in den Lagerhäusern.
Bei einer jährlich angepeilte Menge von 115.000 Litern reinem Alkohol, was macht man da mit den vielen Fässern im Laufe der kommenden Jahre? Bei dieser Frage lächelt Harry, greift zum Stift und zieht ein Blatt Papier heran. Er zeichnet und erklärt: Hier ist die kleine Brennerei, direkt am Bach. Rechts daneben Lagerhaus 1, mit den Jahrgängen 2013 und 2014 jetzt voll. Nächstes und übernächstes Jahr wird Lagerhaus 2 daneben gefüllt. Dann wird es Zeit für die anstehende Erweiterung: Auf der anderen Seite der Brennerei soll ein großes Gebäude entstehen, in das die Abfüllanlage integriert wird. Auch Lagerhaus 4 ist schon in der Planung und soll sich an die Nummer 2 anschließen. Und dann? Na ja, meint Harry, auf der anderen Seite der vorbeiführenden Straße sei noch jede Menge Platz….
Bilder:
1-3 Tom Wyss
4 Wolfburn Distillery
5 Petra Milde