Der Weg zur Clydeside Distillery führt uns zu den ehemaligen Queen’s Docks in Glasgow. Hier war einst ein emsiges Zentrum der Hafenstadt. Die damalige Zeit wird im Riverside Museum lebendig, das auch auf dem dort vor Anker liegenden historischen Dreimaster Glenlee einen detaillierten Einblick in die einstige Segelschifffahrt ermöglicht. In Sichtweite davon entstand vor einigen Jahren die Clydeside Distillery, in der heute sehr erfolgreich Whisky produziert wird. Der Platz könnte kaum besser gewählt sein: Der Urgroßvater des heutigen Chairmans Tim Morrison war der Konstrukteur der Queen’s Docks.

Bei meinem letzten Besuch von Glasgow im Mai hatte ich endlich Gelegenheit, die Brennerei zu besuchen. Vielen Dank an Corinna und Dietmar von Alba Import für die Vermittlung des Kontaktes. Distillery Manager Alistair McDonald konnte an diesem Tag leider nicht anwesend sein, arrangierte aber eine ausführliche Tour und ein Tasting mit Visitor Center Manager Bridgeen Mullen. Sie ist hier in der Brennerei seit dem ersten Tag dabei und ist eine schier unerschöpfliche Quelle des Wissens.

Schon von außen ist die Verbindung von alt und neu deutlich, die hier von der Clydeside Distillery gepflegt wird: Die Brennblasen präsentieren sich stolz in einem modernen gläsernen Anbau an das historische einstige Pumpenhaus. Das erbaute John Morrison 1877, um das Bewegen der hydraulisch betriebenen Tore zu den Docks und die Kontrolle des Wasserstandes zu ermöglichen. Die Geschichte der Docks wird im Visitor Center der Brennerei in einer Multimedia-Ausstellung ausführlich erzählt. Bridgeen bummelt mit mir hindurch und ergänzt die Informationstafeln mit kurzweiligen Geschichten.

 

Die Familie Morrison und das Whiskybusiness

Natürlich erfahre ich auch, wie die Familie Morrison dann den „Schwenk“ zum Whisky machte: Tim Morrisons Vater Stanley P. stieg an der Seite seines Schwiegervaters 1925 ins Whiskybroker-Geschäft ein und wurde über die Jahre äußerst erfolgreich. In den 1960ern hörte er, dass Bowmore auf den Markt kam und kaufte die Brennerei. Morrison Bowmore war geboren. Glen Garioch und Auchentoshan fügte er dem Portfolio 1970 und 1984 hinzu. Als Stanley P. Morrison 1971 starb, übernahmen seine Söhne Tim (der eigentlich Stanley Walker Morrison heißt) und Brian die Leitung des Unternehmens.

Mitte der 90er Jahre übernahm Suntory, die Familie blieb aber dem Whiskybusiness treu. Brian mit Morrison & Mackay (heute Morrison Scotch Whisky Distillers, bekannt durch Marken wie Carn Mor und Old Perth und die neue Brennerei Aberargie in Perthshire), Tim durch Mehrheitsübernahme des unabhängigen Abfüllers A. Dewar Rattray und die Clydeside Distillery. Beide werden in ihren Unternehmen von ihren Söhnen unterstützt (Tims Sohn Andrew ist Managing Director der Clydeside Distillery) – das Family Business der Morrisons lebt also weiter.

 

Inside Clydeside Distillery

Als Tim Morrison (wie andere unabhängige Abfüller auch) beschloss, eine eigene Brennerei zu bauen, schaute er sich zunächst in Fife um, doch die Pläne zerschlugen sich. Die Idee, sich in Glasgow anzusiedeln, kam auf und wurde begeistert weiterverfolgt – es könnte keine geschichtsträchtigere Umgebung für eine Morrison-Brennerei geben! Die erste Baugenehmigung wurde zwar schon 2014 erteilt, doch diverse Schwierigkeiten mit dem Baugrund zwangen zu Planänderungen. Im August 2016 startete man endlich mit dem Bau, die ersten Fässer wurden am 19. Dezember 2017 befüllt.

Das verwendete Wasser entstammt dem Loch Katrine, das seit mehr als 150 Jahren die gesamte Stadt versorgt. Auch für das Einrichten dieses Wasserweges zeichnete damals übrigens John Morrison verantwortlich. Das Getreide für die Clydeside Distillery wächst regional auf sieben Farmen in den Lowlands heran und wird von Simpsons Malt / Berwick-upon-Tweed gemälzt.
Ein paar Zahlen für die, die es interessiert: In der 1,5-Tonnen-semi-lauter-Mashtun wird das gemahlene Malz gemaischt und anschließend im Schnitt für 72 Stunden in acht Washbacks aus Edelstahl fermentiert. Die Wash hat einen Alkoholgehalt von 8,5% vol. 7.500 Liter fasst die Wash Still, 5.000 Liter die Spirit Still. Die Cut Points des New Makes liegen bei 76 – 71 %. Das Equipment stammt von Forsyths. Die Clydeside Distillery hat eine jährliche Produktionskapazität von 500.000 Litern Alkohol.

Die Brennerei beschäftigt 25 Mitarbeiter, geleitet von Distillery Manager Alistair McDonald. Der stieg ins Whiskybusiness übrigens in der Bowmore Distillery ein – wobei wir wieder beim Thema Morrison wären…

 

 

Slainte!

Es gibt ein sehr schönes Visitor Center in der Clydeside Distillery mit gemütlichem Sitz- und Bar-Bereich und einem Shop. Und natürlich fehlt auch ein Tastingraum nicht, in dem wir uns dann ausführlich dem flüssigen Gold der Brennerei widmeten. Bridgeen kredenzte die gesamte Clydeside-Range, feine, fruchtige und leichte Lowland-Whiskys. Und sie schenkte als I-Tüpfelchen noch einen besonderen und etwas anderen Tropfen ein – diese Abfüllung wird erst in Kürze auf den Markt kommen, ist also noch ein Geheimnis!

Durch die Lage in Glasgow finden viele Besucher den Weg in die Clydeside Distillery, und sie bekommen einen richtig guten Eindruck vom Whisky und seiner Herstellung. Die Brennerei arbeitet mit traditionellen Methoden und ist stolz auf die faszinierende Geschichte der Gegend und der Familie. Aber man versucht nicht, mit allen Mitteln ein künstlich-romantisches Licht auf den Whisky zu werfen, sondern ihm einen modernen Rahmen zu bieten.

Ich habe mich sehr wohl gefühlt – thank you so much, Bridgeen, you are such a fantastic host!