WhistlePig Rye Whiskey: It’s all about rye – and wood!

 

WhistlePig hat sich innerhalb weniger Jahre einen beachtlichen Namen in der Welt des Roggenwhiskeys gemacht. Um auch vermehrt außerhalb des amerikanischen Marktes Fuß fassen zu können, ist man Ende letzten Jahres einen Deal mit Moet Hennessy eingegangen. Das weltweit agierende Unternehmen übernahm eine Minderheitsbeteiligung an WhistlePig und eröffnet der Whiskeymarke im Gegenzug über seine gut ausgebauten Vertriebswege neue Märkte.

Auch bei uns in Deutschland startete WhistlePig dann im Sommer durch. Bereits Ende Juli konnte ich am Premieren-Tasting für Deutschland, Österreich und die Schweiz teilnehmen. Es fand als Online-Veranstaltung statt, und neben Tobias Russ von Moet Hennessy Deutschland nahmen für WhistlePig Master Blenderin Meghan Ireland und Vice President Gregory Gatti teil.

Mittlerweile sind die Abfüllungen längst im Fachhandel erhältlich. Ich bin also spät dran mit meiner Vorstellung des WhistlePig Rye Whiskeys, aber ich denke, der eine oder andere ist sicher auch jetzt noch auf der Suche nach ein paar Infos.

Wie üblich gilt: Wer gezielt wegen der Tastingnotes hier ist, scollt einfach etwas herunter.

 

Zwei engagierte WhistlePig-Väter

Auf der Homepage von WhistlePig liest es sich als natürlicher Prozess: 2007 wurde die WhistlePig Farm in Shoreham, Vermont, gekauft und nach ein paar Jahren der Selbstfindung beschloss man 2010 in die Welt des Roggenwhiskeys einzusteigen. „Man“, das war hauptsächlich Firmengründer Raj Bhakta, dessen Name allerdings inzwischen aus dem offiziellen Marketing von WhistlePig verschwunden ist. Firmeninterne Meinungsverschiedenheiten hatten zu unangenehmen Schlammschlachten geführt, die Raj Bhakta schließlich Anfang 2019 mit dem Verlassen von WhistlePig beendete.

Ein anderer Name taucht hingegen auf der WhistlePig-Homepage noch immer auf: Master Distiller Dave Pickerell, vormals bei Maker’s Mark, stand bis zu seinem plötzlichen Tod Ende 2018 an Raj’s Seite. Er  hatte ihn seit 2010 unterstützt und die Marke maßgeblich mit aufgebaut.

Wie alles begann…

Am Anfang des WhistlePig Whiskeys in jenem Jahr 2010 stand aber keine WhistlePig Brennerei. Am Anfang standen Fässer mit 10-jährigem Rye Whiskey aus Kanada. Dave Pickerell war begeistert von diesem Whiskey. Er wollte seine Begeisterung mit der Whiskeywelt teilen und den Whiskey nicht den üblichen Weg vieler kanadischer Roggenwhiskeys gehen sehen, verarbeitet in Blends nämlich. In Raj Bhakta fand Pickerell einen Partner, der bereit war, mit ihm die Karte Rye Whiskey ganz neu auszuspielen. Und man spielte sie gut aus: WhistlePig war (und ist) sehr erfolgreich mit diesem Whiskey.

Aber man wollte nicht reiner Whiskeybonder und -abfüller bleiben, sondern auch Whiskeyhersteller werden. Einen nicht unerheblichen Anteil daran hat sicher die zunehmend stärker gewordene Forderung der Verbraucher nach Transparenz. Andere Whiskeylabels sind in der Vergangenheit sehr großzügig beim Auslegen ihrer Whiskeybezeichnung gewesen. Aber wenn Small Batch Whiskey aus Iowa, gebrannt nach einem Rezept aus der Prohibition, draufsteht, sollte eben kein zugekaufter Whiskey der Großbrennerei MGP in Indiana drinnen sein, wie Templeton Rye vor Gericht lernen musste.

Produziert wird heute 7 Tage die Woche

2014 erhielt WhistlePig vom Staat Vermont die Baugenehmigung für die eigene Farmbrennerei. Seit 2015 produziert das Unternehmen nun auf zwei Brennblasen auch seinen eigenen Whiskey und baut einen Teil des verwendeten Getreides auch selbst an.

15.000 Barrels füllt man derzeit jährlich, erfahren wir während des Tastings. Fassmanagement ist ungeheuer wichtig für WhistlePig, um den selbst destillierten und auch den noch in Kanada und den USA eingekauften New Make zu lagern und vor allem zu finishen. Dabei legt man auch einen Schwerpunkt auf Regionalität und verwendet zum Teil Fässer aus Eiche, die hier auf dem Vermont Estate heranwachsen.

Mittlerweile gibt es auch WhistlePig Rye Whiskey, der selbst gebrannt wurde. Die Abfüllung Farmstock Rye enthält einen Anteil eigenen Whiskeys, der mit älterem gebondeten Whiskey geblendet wurde. Der Farmstock Beyond Bonded Rye präsentiert einen Whiskey aus 100% auf der Farm angebautem Roggen, in der eigenen Brennerei destilliert. Davon erscheint aber immer nur eine stark limitierte Anzahl und er war leider nicht Teil unseres Verkostungsprogramms. Er steht jetzt auf meiner To-Do-Liste, ich vermute aber, wir werden ihn in Deutschland nur schwer bekommen.

 

 

Bei der zügig abgehaltenen Online-Veranstaltung blieb für eine gründliche Verkostung selbst wenig Zeit. Ich habe die drei WhistlePigs noch einmal in aller Ruhe nachverkostet:

WhistlePig Small Batch Rye Whiskey, 10 Jahre

Der klassische „Standard“ von WhistlePig – wenn man denn einen Rye Whiskey aus 100% Roggen Standard nennen kann. Der Whiskey aus kanadischer Produktion reift in Fässern aus frischer amerikanischer Weißeiche und bekommt noch ein Finish in Bourbonfässern. Abgefüllt wird er mit 50% vol (100 Proof).

In der Nase zeigt sich der 10-jährige WhistlePig ausgesprochen weich. Vanille, Grapefruit, Ananas und ein Hauch von frischer Minze. Dahinter scheinen würzige Noten und Eiche durch.
Die kommen aber am Gaumen beim ersten Schluck sofort hervor: Eine kräftige Erstbegegnung. Roggenwürze, Brotrinde, Karamell. Dann zeigen sich fruchtige Noten. Tropische Früchte, Orange. Tabak. Nicht so süß wie ich nach der Nase erwartet hätte.
Im Nachklang wird die Eiche groß, frische Minze und leicht bittere Noten klingen nach.

WhistlePig Old World Rye Whiskey, 12 Jahre

Für diesen WhistlePig reift der kanadische Whiskey nach 10-jähriger Grundreifung in frischer amerikanischer Weißeiche für weitere zwei Jahre in drei unterschiedlichen Fassarten „der alten Welt“ nach und wird dann gebatcht: 63% Madeira-Finish, 30% französische Sauternes-Fässer und 7 % Portweinfässer ist das Verhältnis. Abgefüllt wird mit 43% vol.

„Dunkler“ in der Nase als der 1-Jährige. Rosinen. Apfelkompott. Orangenmarmelade. Honigkuchen. Und dann irgendwie auch…. blumiges Parfüm… Dahinter leichte Eichenoten.
Am Gaumen irgendwie ganz anders. Zunächst wesentlich würziger, roggentypischer als in der Nase. Kardamom. Ein bissl beißend. Aber dann auch wieder süßer Sirup – so wie dieser rote Hustensaft meiner Kindheit… Himbeerbonbons? Sehr trocken.
Im Nachklang finde ich wenig von würzigen Roggenwhiskey-Noten – Frucht und Eiche klingen nach, dann Röstaromen, Bitterschokolade. Tabak.

WhistlePig Estate Oak Rye Whiskey, 15 Jahre

Hier kommen die bereits erwähnten Fässer aus Eichen der WhistlePig-Farm zum Einsatz. Darin reift der Whiskey nach seiner Grundreifung in der frischen amerikanischen Weißeiche nach. Ich merke gerade, dass ich gar nicht weiß, wie lange das Finish dauerte. In meinen Notizen findet sich nichts – haben wir nicht darüber gesprochen? WhistlePig schreibt dazu auch nichts auf der Webseite. Da werde ich mal nachhaken.
Abgefüllt wird der Estate Oak mit 46% vol. Jede der drei Abfüllungen hat also eine andere Alkoholstärke.

In der Nase Karamell, süß, tropische Früchte. Sehr voluminös, Eiche mit Schokolade und Vanille. Jaffa-Cakes.
Am Gaumen – wow – vollmundig, süß, dunkle Schokolade, weiche Würzigkeit, ein wenig Lebkuchen, dann eher Pumpernickel – absolut faszinierend.
Im Nachklang bleiben lange trockene Eichenoten hängen und Röstaromen.

Mein Fazit

So kann Roggenwhiskey also auch sein – würzig, ja, aber eben auch viel breiter in der Aromatik und nicht so spicy und fordernd, wie junge Ryes aus frischem Holz oft sind. WhistlePig gelingt es, deutlich weichere Noten ins Spiel zu bringen und viel Schokolade und tropische Früchte. Der 15-Jährige ist unumwunden mein Favorit. Mit dem 12-Jährigen kann ich mich nicht ganz so anfreunden, der erscheint mir persönlich irgendwie unausgewogen. Da passt die neue Roggenwelt doch nicht so ganz zu den Alte-Welt-Weinfässern – just my two cents.

Vielen Dank, lieber Tobias, für diese Einführung in die WhistlePig-Welt. Absolut spannend, was sich in Sachen Roggenwhiskey so alles tut.