Langjährige Whiskyfans kennen die grünen Flaschen der Scotch Malt Whisky Society (SMWS) meist. Neulinge auf dem Whiskyparkett wundern sich: Was ist denn diese SMWS und was hat es mit dem ominösen Nummerncode auf den Flaschen auf sich? Erst vor kurzem hat die Society in der Whiskywelt für Schlagzeilen gesorgt, als sie die Verträge mit den bisherigen Vertriebspartnern in einigen europäischen Ländern aufkündigte. Das betraf auch Deutschland. Über die Hintergründe und die Auswirkungen für die Whiskyfans wurde in Foren und Gruppen viel diskutiert und spekuliert. Was ändert sich dadurch und wie wird sich die Scotch Malt Whisky Society künftig in Deutschland präsentieren?
Auf der Interwhisky in Frankfurt war die SMWS erstmalig selbst mit einem kleinen Stand vertreten und ich hatte Gelegenheit, diese Fragen in einem Interview an den International Commercial Manager Mark van der Vijver zu richten. Mark lebt zwar schon seit mehr als 15 Jahren in Schottland, aber geboren wurde er in Kapstadt, was auch seinen niederländisch klingenden Namen erklärt. Seine Tätigkeit für die Scotch Malt Whisky Society begann er bereits vor 12 Jahren, nachdem er zuvor im Management von Hotels und Bars tätig war. Europa ist sein persönlicher Schwerpunkt als International Commercial Manager.
Mark, die Scotch Malt Whisky Society ist nicht nur einfach ein unabhängiger Abfüller. Kannst du uns kurz erklären, was die Society ist?
Mark: Sie ist vieles zugleich. Im Kern füllen wir fremde Fässer ab, also sind wir natürlich ein unabhängiger Abfüller. Wir sind aber auch ein internationaler Whiskyclub. Um unsere Flaschen zu kaufen muss man Mitglied der Society werden. Unser Hauptziel ist es unseren Mitgliedern eine möglichst breite Range an Einzelfassabfüllungen in höchster Qualität zu bieten. Und das alles erfolgt unter unserem Namen, unserer Marke. Es taucht kein Brennereiname auf. Deshalb ist es schwierig, uns mit jemandem sonst zu vergleichen, weder mit einem unabhängigen Abfüller noch mit einem Whiskyclub. Wir sind vieles in einem. Aber das macht uns ja gerade so speziell, weil wir eine breite Fülle an Erlebnis und Erfahrungen anbieten können und Gleichgesinnte zusammenbringen.
War das schon immer das Konzept der SMWS?
Mark: Ja, wir machen es heute noch genauso wie wir es in den späten 70er Jahren getan haben. Einer unserer Gründer hatte das Glück ein Einzelfass einer Brennerei zu bekommen. Er hat es hinten in sein Auto getan und ist damit durch Edinburgh gefahren. Er hat alle seine Freunde eingeladen und sie kamen mit allen möglichen leeren Flaschen. Sie haben den Whisky direkt aus dem Fass abgefüllt und geteilt. Und das war zu einer Zeit als Single Malt Whisky noch nicht sehr bekannt war. Was er getan hat – ein einzelnes Fass mit Whisky zu nehmen – war also sehr aufregend, unkonventionell. Alle haben diese Erfahrung sehr genossen und es gab die Möglichkeit, mehr Fässer zu bekommen. Sehr schnell haben die Leute gemerkt, dass es etwas Besonderes war, etwas Natürliches und Reines, so ein Einzelfass. Keine Kühlfilterung. Kein Herunterverdünnen. Die Sache ist gewachsen und gewachsen und 1983 hat man beschlossen, ihr einen Rahmen zu geben. Die Scotch Malt Whisky Society und die Mitgliedschaft wurden ins Leben gerufen; eine Organisation, bei der Leute durch ihren Beitrag teilhaben können an dem Erlebnis. Wir sind sehr glücklich, auf diese Weise eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten zusammen zu bringen. Und wir sind sehr glücklich, dass wir nun schon mit 132 verschiedenen Brennereien zusammen arbeiten. Einige von ihnen bieten keinen Scotch an: Wir haben auch schon Bourbon, Rum, Cognac oder Armagnac abgefüllt.
Wer sind denn die Leute hinter der SMWS?
Mark: Das ist eine Gruppe privater Investoren; sie kamen ins Spiel, als die Glenmorangie Company die SMWS vor 1,5 Jahren verkauft hat. Neben diesen Investoren gibt es einen Vorstand. Unsere Direktoren sind auch nach der Übernahme geblieben.
Es gab also keinen Wechsel in der Leitung?
Marl: Nun, unser Managing Director Paul Miles hat sich jetzt vor kurzem zur Ruhe gesetzt, nachdem er uns ein Jahr lang erfolgreich durch den Transaktions-Prozess geführt hat. Aber im Großen und Ganzen ist das Management, sind die Direktoren dieselben geblieben. Wir haben tolle Mitarbeiter wie beispielsweise unseren Spirits Manager Euan Campbell. Er hat das Vergnügen- aber trägt auch die Verantwortung – dafür zu sorgen, dass wir die bestmöglichen Fässer bekommen. Wir haben auch tolle Leute in unseren Venues, den Veranstaltungsorten, die den Leuten diese besonderen Erlebnisse vermitteln. Und wir haben auch kreative Leute, die sich um unsere Marke kümmern. Helen Stewart ist beispielsweise seit mehr als 12 Jahren Senior Brand Manager. Ihr Boss Kai Ivalo ist Marketing Spirits Director und schon mindestens 10 Jahre im Geschäft. Wir haben also große Persönlichkeiten bei uns, die sehr erfahren und mit Leidenschaft dabei sind. Und die, wie ich denke, mit der Marke gewachsen sind.
Ihr bringt sehr viel Whisky heraus – woher kommt der denn? Wir hören in letzter Zeit immer mal wieder, dass es für unabhängige Abfüller nicht mehr so leicht ist, an gute Fässer heranzukommen. Es gäbe nicht mehr so viele.
Mark: Ich bin nicht direkt in das Fasswesen eingebunden und habe daher keine genauen Einblicke, aber ich weiß, dass wir unseren Planungen in Sachen Fässern ein gutes Stück voraus sind und das gibt mir ein sehr gutes Gefühl. Und die Mitglieder können das auch haben. Ich bin nicht sicher, woran es liegt, aber ich denke, dass uns die Zeit bei Glenmorangie eine Menge gute Möglichkeiten verschafft hat. Andererseits können wir jetzt als unabhängiges Unternehmen zu mehr Leuten enge Beziehungen knüpfen als wir es unter dem Dach einer großen Whiskymarke gekonnt hätten. Jedenfalls verfügen wir über eine breite Vielfalt. Wir haben heute schon Produkte von 132 Destillerien abgefüllt.
Ihr besitzt also eigene Lagerhäuser? Wo?
Mark: Ja, sie befinden sich in West Lothian, westlich von Edinburgh. Dort in der Einrichtung lagern wir alle unsere Fässer, dort ist unser Flaschenlager und auch der Versand.
Habt ihr auch eine Abfüllanlage?
Mark: Nein, wir lassen im Auftrag abfüllen.
Du hast es bereits erwähnt: Die SMWS war von 2004 bis 2015 im Besitz von Glenmorangie. Als die Society letztes Jahr verkauft wurde – was geschah mit den gelagerten Fässern? Habt ihr den gesamten Whiskystock mitgenommen?
Mark: Ich war nicht direkt in den Übernahmeprozess einbezogen, aber nach meinem Verständnis waren die Fässer ein Teil des Deals. Wir haben auf jeden Fall einen beträchtlichen Teil der Fässer mitgenommen. Wir wurden schließlich in sehr gesundem Zustand verkauft, was natürlich attraktiv war für die Investoren.
Vor kurzem ließ uns eine Meldung aufhorchen, die reichlich Verwirrung und Besorgnis hervorrief: Die SMWS trennte sich recht kurzfristig von den Vertriebspartnern in Deutschland. Was ist geschehen und wie geht es weiter?
Mark: Die Society hatte bisher eine operative Franchising-Front. Das haben wir seit 22 Jahren so gehandhabt. Alles sehr engagierte Leute mit sehr guten Beziehungen und sie unterhielten hier auch viele “Embassies”. Für Deutschland und Benelux arbeitete dieses Franchising von den Niederlanden aus und sie haben eine gute Arbeit gemacht. Die Society und der Brand selbst sind in Edinburgh ansässig und das bleiben wir auch. Wir haben unsere Angebote und Whiskyerlebnisse dort immer weiter entwickelt und sind dann vor kurzem in eine Art Evaluierungsprozess eingetreten: Wohin soll es in Zukunft gehen? Welche Möglichkeiten bieten sich? Und wir haben unseren Blick auch nach außen gerichtet und haben erkannt, dass es eine gute Sache wäre, unsere Erfahrungen und alle Angebote auch den Mitgliedern hier zugänglich zu machen. In der Art und Weise wie bisher, über Franchising Vertreter, wäre das nicht möglich. Gleichzeitig haben wir auch eine e-Commerce Plattform entwickelt, die für unsere neue Struktur des Selbstvertriebs perfekt ist.
Was bedeutet das also jetzt konkret für die Mitglieder?
Mark: Was wir den Mitgliedern der SMWS überall – auch hier in Deutschland – jetzt bieten können sind 20 neue Whiskys an jedem ersten Freitag im Monat. Und wer unsere Webseite besucht findet dort jederzeit über 70 verschiedene Whiskys. Und wir bieten jeden Monat Whisky Tastings in unseren „Key Cities“ an. In Deutschland sind das derzeit Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt und München. Wir haben phantastische Ambassadore für diese Städte gefunden. Die Heimat des Brands bleibt in Edinburgh, aber wir möchten, dass unser Whiskyerlebnis auch lokal stattfindet.
Wir haben mitbekommen, dass viele Leute beunruhigt waren, wie es weitergeht und in einigen Foren gelesen, die Society würde ihre Arbeit hier beenden. Nein, wir haben nur die Lieferstruktur geändert. Das Angebot ist jetzt so reichhaltig, wie wir es nur von Edinburgh aus anbieten können. Dazu haben wir schon viel positives Feedback unserer Mitglieder bekommen.
Dann wenden wir uns doch jetzt einmal diesen Angeboten zu – den Whiskys. Was kommt in die Flaschen und wer trifft die Auswahl?
Mark: Die Society füllt grundsätzlich nur Single Casks ab. Ich kann nicht generell von Whisky sprechen, denn wir haben auch einige andere Produkte herausgegeben. Aber in der überwiegenden Mehrzahl sind es Single Malts. Immer in Fassstärke und nie kühlgefiltert. Kein Farbstoff, sondern wie er aus dem Fass kommt. Das Tasting Gremium besteht aus einer Gruppe von erfahrenen Nasen, die aus unterschiedlichsten Bereichen kommen. Chemiker, Wissenschaftler, Dichter, Musiker, Köche, Whisky-Berühmtheiten. Sie kommen zusammen und prüfen die Fässer anhand von Samples, die uns zur Verfügung gestellt werden. Wenn sie das Gefühl haben, ein Fass ist geeignet für unsere Mitglieder, füllen wir es ab unter unserem Namen Scotch Malt Whisky Society. Natürlich wird nicht jedes Mitglied jeden Whisky lieben, aber sie wertschätzen seine Qualität.
Die Notizen und Kommentare des Gremiums werden vom Vorstand zusammengefasst in einer Beschreibung und einem Namen. Die sind ein wenig unüblich und anders als bei den meisten Whiskyunternehmen. Sie werden formuliert um zu einem Gespräch darüber anzuregen. Wir finden, wenn die Leute mit hineingenommen werden und beginnen, über den Whisky zu reden, dann ist das der beste Weg, ihn zu genießen.
Du siehst, dass wir den Namen der Brennerei nicht auf das Label setzen. Single Casks sind oft eine Ausnahme vom vertrauten Gesamtbild einer Brennerei. Wir möchten nicht, dass jemand auf das Label schaut und den Brennerei-Namen sieht und sofort eine bestimmte Erwartungshaltung hat. Für uns geht es nur um den Geschmack in dieser Flasche. Wir möchten, dass sich die Leute selbst ein Bild machen und geben ihnen nur einige Zeilen und Überschriften, damit sie ungefähr wissen, was sie erwartet. Dazu haben wir 12 einzelne Aromenprofile entwickelt. Wenn wir ein neues Bottling herausgeben, wird es einem dieser Aromenprofile zugeordnet. Hier zum Beispiel ist es „oily & coastal“. Die Idee hinter unseren Beschriftungen ist also, dass die Mitglieder die Whiskys nach Aromen heraussuchen und erkennen. Dass sie sie genießen. Aber auch, dass sie beginnen, Aromen zu erforschen, auf die sie sich sonst vielleicht nicht einlassen würden.
Und was hat es jetzt mit diesen Nummern auf den Flaschen auf sich?
Mark: Nehmen wir zum Beispiel diese hier: Das ist die dritte Brennerei, von der wir Whisky abgefüllt haben. Die Brennereien sind sozusagen chronologisch durchnummeriert. Und dies ist das 288ste Fass, das wir von dieser Brennerei benutzt haben. Die Nummer 1 war damals Glenfarclas, das ist kein großes Geheimnis.
Gibt es denn eine Liste mit den Brennereien?
Mark: Natürlich gibt es im Internet irgendwo eine Liste. Es gibt für alles eine Liste im Internet und wir verstehen natürlich, wenn die Leute wissen wollen, aus welcher Brennerei der Whisky kommt, den sie gerade getrunken haben. Das ist ein Aspekt unseres Interesses. Und wenn du mich danach fragst, dann sag ich dir auch die Brennerei. Das würden auch die Ambassadore machen oder unsere anderen Mitarbeiter, das ist kein Problem. Aber wir schreiben es nicht nieder und wir veröffentlichen es nicht.
Gab es auch schon einmal Abfüllungen, die nicht gut ankamen bei den Mitgliedern der Scotch Malt Whisky Society?
Mark: Nun ja, es gab ein paar Abfüllungen, bei denen Diskussionen über Schwefel aufkamen. Aber da geht es dann um 6 bis 7 Mitglieder von 25.000. Geschmack ist so unterschiedlich, darüber sind wir uns ja einig. Die beste Antwort, die ich dir auf deine Frage geben kann ist vielleicht: Wir verkaufen regelmäßig alle Abfüllungen ab.
Mir fällt auf, dass die Anzahl der Abfüllungen der verschiedenen Brennereien doch stark variiert. Da ist zum Beispiel Brennerei 3 mit 288 Fässern, Brennerei 5 mit 51 und Brennerei 36 mit 113. Warum gibt es so unterschiedliche Mengen? Sind die Brennereien unterschiedlich populär bei euch?
Mark: Da spielen einige unterschiedliche Gründe eine Rolle. Vielleicht haben wir mehr Fässer zum Versamplen angeboten bekommen von dieser Brennerei als von jener. Oder vielleicht war die Erfolgsrate bei unserem Tasting Gremium höher. Und wenn wir mit einer Brennerei Jahre vor einer anderen begonnen haben, dann hatten wir auch viel mehr Zeit, Abfüllungen dieser Brennerei vorzunehmen. Die Gründe sind unterschiedlich und fließend.
Wie sieht es mit euren Zukunftsplänen aus?
Mark: Vor allem international gesehen ist sie Zukunft sehr spannend. Wir wachsen und vor allem Europa ist dabei im Fokus. Frankreich, Deutschland, Niederlande usw. Wir haben darüber ja gesprochen. Und wir investieren auf anderen Gebieten, haben beispielsweise gerade die Möblierung in unserer Venue in der Queen Street in Edinburgh erneuert. Die ist richtig spektakulär geworden. Auch neue Teammitglieder kommen dazu. Wir wachsen und die Zukunft ist richtig positiv für uns und damit auch für unsere Mitglieder, die ein größeres und besseres Angebot erwarten können. Das ist ein Ziel: Mehr Brennerei, die mit uns zusammen arbeiten und mehr Tasting Erlebnisse für unsere Mitglieder.
Wir sind auch sehr kreativ und haben zum Beispiel gerade 12 Sorten Whisky Eiskrem entwickelt. Wir bieten auch Veranstaltungen an, bei denen wir Whisky mit Fleisch oder mit Austern kombinieren.
Wenn es mehr Wachstum geben soll– werden dann künftig noch weitere Ambassadore und Veranstaltungsstädte hinzukommen in Deutschland?
Mark: Das ist zu diesem Zeitpunkt noch schwer zu sagen. Erst seit Mitte August arbeiten wir mit dieser neuen Struktur. Jetzt konzentrieren wir uns zunächst darauf, es in diesen ersten genannten Schlüsselorten richtig gut auszubauen und dann können wir schauen wie wir uns weiter vergrößern können.
Vielen Dank, Mark für dieses Interview und die Einblicke in die Society.
Wer sich umschauen möchte auf der Seite der Scotch Malt Whisky Society, findet hier ihre deutsche Homepage. Dort könnt ihr euch über die Mitgliedschaft, die Whiskys und die Events und Tastingangebote informieren.
Außerdem kann ich euch einen Beitrag von Peter Moser empfehlen, der hier in seinem Blog Friends of Single Malt wichtige Kerndaten zur Mitgliedschaft, den Tastings, Ambassadoren usw. zusammengefasst hat.