Die Sonne lacht vom Himmel, als ich in Richtung Bodensee unterwegs bin. Weite Flächen mit schwer tragenden Apfelbäumen und das Ortsschild von Rickenbach kommen in Sicht – ich bin da. Aber nicht die Bodensee-Äpfel sind es, um die es mir heute geht. Mein Ziel ist die Brennerei Senft, in der seit fünf Jahren auch Whisky produziert wird. Ein Bodensee-Whisky ist er in doppelter Hinsicht: Die Destillerie liegt nicht nur in der Bodenseeregion, sie bezieht das Wasser für die Produktion auch direkt aus diesem riesigen Wasserspeicher.
Silke Senft erwartet mich und führt mich durch den elterlichen Betrieb, in dem sie mittlerweile mehr und mehr das Ruder übernimmt. „Silke ist der Chef“ bestätigen Herbert Senft und seine Frau Anita unabhängig voneinander und ich höre den Stolz heraus, der hinter diesen Worten steckt. Eine Ausbildung zur Bankkauffrau ist die Grundlage dafür, dass die engagierte Tochter das nötige kaufmännische Wissen zum erfolgreichen Vermarkten der Produkte und Führen des Betriebes mitbringt und die Absolvierung eines Kurses zur Edelbrandsommelière rundet ihr Wissen über das Brennen ab, das sie von ihrem Vater erworben hat. Der ist nicht nur Brennmeister, sondern hat seine Wurzeln im Weinbau. Viele Jahre war er Kellermeister beim Markgrafen von Baden und bei der Winzergenossenschaft Hagnau.
In der Brennerei Senft hat die Williamsbirne die Nase vorne
Mit ihren Edelbränden haben sich die Senfts in ihrer 25-jährigen Brenntätigkeit einen Namen gemacht, vor allem mit ihrem Williamsbrand, der den Bärenanteil ihrer Produktion darstellt. Von den 10 Hektar Obstanbaufläche, die sie bewirtschaften, sind 8 Hektar mit Williamsbäumen bepflanzt und die ermöglichen ihnen das Brennen von rund 300.000 Liter Williamsmaische jährlich.
Doch es ist die(ebenfalls vollständig selbst angebaute!) Gerste, der die Brennerei Senft jetzt über die Region hinaus bekannt gemacht hat. 10.000 Liter Malzbrand jährlich sind es derzeit, die in Silke Senfts Verschlussbrennerei entstehen. Nacheinander reift der Brand dann jeweils für ein Jahr in Rotwein-, Bourbon- und Sherryfässern zum Malt Whisky heran und erhält dabei seinen weichen Geschmack mit Aromen von Honig, Vanille, Frucht und mit warmen Sherrynoten. Drei Jahre erscheinen im Vergleich zu schottischen und irischen Whiskys sehr wenig, doch durch das deutsche Brennverfahren mit dem Kolonnenaufsatz ist der Newmake reiner als ein nur zwei- oder dreifach gebrannter Alkohol aus traditionellen Potstills. Das Herzstück ist deutlich besser vom Vor- und Nachlauf abgetrennt. Viele der unangenehmen Aromen, die in schottischen Warehouses erst nach etlichen Jahren durch die Wechselwirkung mit dem Fass verschwinden, werden hier schon bei der Destillation abgeschieden.
Silke Senft setzt auf reinen, milden Whisky vom Bodensee
Und dann ist da noch die Geheimwaffe der Brennerei, die mir Silke Senft mit Besitzerstolz präsentiert: „Ich weiß von keinem anderen Whisky-Brenner, der ein Casco-Gerät benutzt!“. In dem Behälter wird dem eingefüllten Alkohol in einem Verfahren, das auf starken Temperaturunterschieden beruht, Methanol entzogen. Diese unerwünschte chemische Verbindung entsteht beim Brennen und wird beim Abtrennen des Vorlaufes größtenteils entfernt. Doch ein Rest bleibt immer zurück und je nachdem, wie groß der ist, lässt sich ein scharfer, beißender Geruch wahrnehmen – wer von uns hätte das nicht bei dem einen oder anderen Whisky selbst schon wahrgenommen? Nicht aber beim Bodensee-Whisky. Der ist nicht zuletzt deshalb so mild, weil das Casco-Verfahren dem Methanol den Garaus macht.
Neben der herkömmlichen Abfüllung des Bodensee-Whiskys mit 42 % vol. Alkohol bietet das Familienunternehmen Senft seit kurzem auch eine Fassstärken-Abfüllung an. Zum überwiegenden Teil erfolgt der Verkauf der Senft-Brände in eigener Regie durch den Online-Shop, den kleinen Laden in der Brennerei oder samstags auf dem Überlinger Bauernmarkt. Apropos Brennereiladen: Da tut sich gerade einiges! In Kürze wird der Verkauf umziehen, denn die an den bisherigen Shop angrenzende Scheune wurde komplett renoviert und umgebaut. Altes Fachwerk kombiniert mit Glas und neuer Einrichtung – hier gibt es Platz und viel Licht. Platz aber nicht nur für die Verkaufsregale, sondern auch für einen Tastingraum, in dem rund 30 Personen Platz finden. Er ist zwar noch nicht ganz fertig, aber inoffiziell eingeweiht wurde der Neubau übrigens bereits: Am 3. Oktober fand die erste Bodensee-Whisky-Tour statt, die künftig regelmäßig angeboten wird. Die Tour umfasst die Besichtigung dreier Whisky-Brennereien am Bodensee und noch so manches andere Highlight. Silke Senft betätigt sich dabei als fachkundige Reiseleiterin. (Edit: Ich wurde nach Details zur Tour gefragt. Findet ihr hier: http://www.bodensee-genuss-erlebnisse.de/)
Neue Wege beschreiten, kreativ sein und tolle Produkte anbieten – Silke Senft hat gerade erst damit begonnen, die Weichen für die Zukunft der Brennerei zu stellen. Neben dem Whisky hat sie vor kurzem auch den Bodensee-Gin herausgebracht und im Lagerraum habe ich Fässer gesehen, in denen seit einigen Monaten Rum lagert. Und die junge Frau ist auch weiter fleißig am Überlegen, Entwickeln, Probieren. Als eine Kundin im Laden ganz enttäuscht ist, dass es keinerlei Likör im Angebot gibt, schlage ich vor, doch einen Whisky-Likör herauszubringen. Silke Senft lächelt….