Es ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit und man könnte sogar sagen, dass die schottische Whiskyindustrie damit einen Beitrag zur Ökologie leistet: Schottischer Whisky reift fast ausschließlich in bereits gebrauchten Fässern (seltene Ausnahmen sind beispielsweise der Bunnahabbain Darach Ur oder der jüngste Spross von Glenmorangie, der Ealanta). Lange bevor der Begriff Wiederverwendung, Recyling oder Second-Hand zum Erkennungszeichen umweltbewusster Wirtschaftsunternehmen wurde, haben die Schotten diese Praxis ausgeübt. Allerdings kommt man nicht umhin, einzuräumen, dass die Hauptmotivation dabei wohl eine andere war.
Wechselwirkung zwischen Fass und Inhalt
Wird in einem Fass zuvor ein Wein oder eine andere Spirituose gelagert, so kommt es zu chemischen Wechselwirkungen, von denen der Whisky später profitiert. Diese erste Befüllung entzieht dem Holz Aromen, auf die viele in ihrem Single Malt verzichten möchten und lässt das Fass im Austausch mit dem Wein wiederum andere erwünschte Aromen hinzugewinnen. Ich bin keine Chemikerin, deshalb werde ich gar nicht erst versuchen, die genauen Zusammenhänge zu vertiefen (Einen informativen und umfangreichen Überblick habe ich hier bei Heinz Weinberger gefunden).
Vom Sherry zum Bourbon
Sherryfässer waren bis vor einigen Jahrzehnten Standard zur Lagerung und Reifung von Whisky. Doch der rasante Produktionsanstieg ließ das Angebot an Sherryfässern verknappen und die Preise steigen. Eine Alternative musste her und wurde in den reichlich zur Verfügung stehenden Bourbonfässern gefunden. Bourbon darf (bisher) laut Gesetz nur in frische Fässer eingefüllt werden, so dass die Amerikaner die geleerten Fässer gerne weiterverkaufen. Manche Destillerien schwenkten ganz auf Bourbonfässer um, andere blieben traditionell bei Sherryfässern, wie Macallan (dass auch Macallan dann 2004 mit seinem Fine Oak zusätzlich zum Spiel mit amerikanischer und europäischer Eiche auch Bourbonfässer mit einbezog, soll nicht unerwähnt bleiben).
Quer durch alle Weinsorten
Doch Sherryfässer sind nicht die einzigen Ruhestätten des schottischen Whiskys. Portweinfässer, Madeira, Rum, Cognac, Calvados und zunehmend Weißwein- oder Rotweinfässer werden zum Lagern herangezogen. Selten werden die Destillate für die gesamte Reifezeit in diesem speziellen Holz gelagert, meist verbringen sie erst etliche Jahre in Bourbonfässern, ehe sie dann für einige Monate für eine zweite Reifezeit umgefüllt werden. „Finish“ ist der gängige Ausdruck, aber auch „Additional Cask Enhancement“ oder „Extra Maturation“ werden verwendet als Bezeichnung für dieses Verfahren, das manche Puristen generell ablehnen, andere aber als wertvolle Erweiterung der Aromawelt begrüßen und genießen.
Sauternes – Liebling der Whiskyindustrie
Glenmorangie, Arran und Bruichladdich seien hier stellvertretend als experimentierfreudige Unternehmen in Sachen Finishs genannt. Das Weinbaugebiet Sauternes, das zum Anbaugebiet Bordeaux gehört, taucht dabei immer wieder auf. Es ist bekannt für süße Weine, die aus Semillon, Sauvignon und Muscadelle Trauben erzeugt werden. Wenn eine Destillerie noch einen Schritt weiter gehen möchte, dann nennt sie sogar das spezielle Weingut, von dem die Fässer für das Whiskyfinish stammen. Château d’Yquem wird beispielsweise von Bruichladdich beim Octomore Comus und beim Glenmorangie Pride genannt. Es ist das einzige Weingut im Sauternes, das in der Spitzenklasse Premier Cru Superieur gelistet ist, vermutlich ist das der Grund für die namentliche Nennung.
Wandel der Blickrichtung: Vom Inhalt aufs Holz
Nachdem die unterschiedlichen Ausprägungen des Whiskys durch das Reifen und Finishen in Weinfässern bisher fast immer auf den Inhalt des First Fill zurückgeführt wurde, geschieht im Moment gerade ein Umdenken: Verstärkt ist es das Holz selbst, das in den Mittelpunkt rückt. So hat es Auswirkungen auf den Whisky, ob Sherryfässer aus amerikanischer Weißeiche oder europäischer Eiche benutzt werden, da sie unterschiedlich schnell wachsen, dadurch unterschiedliche Dichten haben und auch der Gehalt an Tanninen im europäischen Holz größer ist als im amerikanischen. Auch die Größe des Fasses, in dem der Whisky gelagert wird, hat Auswirkung auf die Reifung, denn bei einem kleineren Volumen ist der Kontakt zwischen Holz und Whisky intensiver. Wenn von einem Whiskyfinish oder einer Double Maturation die Rede ist, so deutet das mittlerweile nicht ausschließlich auf unterschiedliche Erstbefüllungen hin, sondern kann auch den Einfluss verschiedener Holzarten bedeuten.