Old Pulteney 21 Jahre – Wirklich der Whisky des Jahres 2012?

Manchmal kann ich nicken und zustimmen, manchmal nur den Kopf schütteln, wenn sich jemand zu einem Whisky äußert. Über die Farbe, die Rohstoffe oder das Herstellungsverfahren mag man zu einheitlichen Ergebnissen kommen, aber Geschmack ist ein äußerst subjektives Empfinden. Punktetabellen und Benotungen sogenannter Whiskyexperten können deshalb nur Anhaltspunkte sein, sind aber keinesfalls allgemeingültige wissenschaftliche Statements. Jim Murray’s alljährlicher Almanach mag sich zwar Whisky Bible nennen, aber sie ist trotzdem nur Ausdruck seines persönlichen Geschmacks. Aber vielleicht hat er den Namen nicht gewählt, weil er seine Allmacht ausdrücken wollte, sondern weil er insgeheim beim Tasten mancher Tropfen die Bibelstelle „Herr, lass diesen Kelch an mit vorübergehen“ vor Augen hat….
Als Jim Murray’s Whisky Bible 2012 den 21-jährigen Old Pulteney zum Whisky des Jahres krönte, war die Whiskywelt platt: Wie kommt er denn darauf?

Jetzt wirklich den Old Pulteney kaufen?

97,5 von 100 Punkten? Für viele, die in Foren kluge Kommentare abgaben, war schnell klar, dass es sich dabei nur um eine Good-Will-Aktion handeln könne. Ein Zugeständnis an eine kleine Brennerei, der er ein wenig unter die Arme greifen wolle. „Ich habe den Old Pulteney auch probiert und ich kann Murray nicht zustimmen“, las ich allerdings selten. Eher von trotzigen Verweigerungshaltungen: „So, den kaufe ich jetzt gerade nicht. Das will der ja nur“. Und die Diskussionen gingen dann sehr schnell nicht mehr um den Old Pulteney selbst, sondern um die beliebte Gretchenfrage: „Darf sich jemand anmaßen, seine Beurteilungen zu veröffentlichen und uns sagen, was uns schmecken sollte?“

Whisky des Jahres hin oder her

Ich warte weder jedes Jahr auf die Beantwortung der ach so spannenden Frage: „Welches Restaurant bekommt wohl seinen Michelin-Stern aberkannt?“ noch auf die neueste Predigt eines Whiskypapstes. Bisher wusste ich eigentlich nie, wer denn gerade Whisky des Jahres ist. Aber dieser Sturm im Whiskyglas reizte mich dann doch und ich bewegte meinen Mann, im Shop unseres Vertrauens diese bewusste Flasche zu bestellen. Bei fast 90 Euro kein billiges Vergnügen im Vorbeigehen, aber wenn man überlegt, welche anmaßenden Preise wir für so manche unreifen Produkte eines Newcomers zahlen….

So schmeckt mir der Old Pulteney 21

Um es vorwegzunehmen: Der Old Pultney 21 schmeckt. Mir. Ob er mein Whisky des Jahres ist? Nein. Manch anderer schmeckt mir noch mehr. Punkte vergebe ich sowieso nicht, da ich es mit Zahlen nicht so habe. Aber ich kann euch meine Eindrücke schildern:

Tastingnotes:
Weder Farbstoffe noch Kältefiltrierung hat der Whisky über sich ergehen lassen müssen und zeigt im Glas eine rot-goldene satte Farbe.
In der Nase liefert er mir Getreide und frische Brotrinde, Honig und ein wenig Frucht – Aprikose? Der Geruch ist nicht sehr intensiv, eher zurückhaltend
Geschmacklich werde ich an sehr reife Weintrauben erinnert, auch etwas Zitrone. Ein Hauch Bitterschokolade, etwas Zimt. Der Whisky ist trocken, aber in gutem Maß.
Der Nachklang ist mittellang, trocken, wärmt. Was bleibt, ist eine Erinnerung an Schokolade und…Muskat?
Obwohl der 21- jährige Old Pulteney nur 46 Vol. % hat, habe ich trotzdem versuchsweise ein paar Tropfen Wasser hineingetan. Aber ich finde nicht, dass es ihm gut tut und zusätzliche Aromen beschert. Er verliert eher an Substanz und ich habe nur süße Frucht übrig.

Mein Fazit: Durchaus ein Whisky, der mir schmeckt. Eher als Digistif oder als Starter, weniger für einen gemütlichen Abend auf der Couch.