Können auch deutsche Whiskybrennereien Desinfektionsmittel herstellen?

Brennerei Habbel

Ein Interview mit Michaela Habbel vom Verband der Deutschen Whiskybrenner

Über die Wichtigkeit von Desinfektionsmittel im Kampf gegen die Verbreitung des Corona-Virus und über die drastischen Versorgungs-Engpässe, mit denen Krankenhäuser, Praxen, Altenheime, Pflegedienste und Privathaushalte in Sachen Infektionsschutz derzeit konfrontiert sind, brauche ich wohl nichts zu berichten.

Mittlerweile haben Spirituosenhersteller weltweit die Initiative ergriffen und nutzen die Kapazität ihrer Brennereien, um sich in die Herstellung von Desinfektionsmittel einzuklinken.
Wir lesen vom Engagement von Pernod Ricard, LVMH, Bacardi und Hiram Walker in Sachen Herstellung von Alkohol für den Desinfektionsmittelbedarf, aber auch von kleinen unabhängigen Brennereien wie Koval in Chicago, Kyrö in Finnland oder Cooper King in England, die Handdesinfektionsmittel herstellen und zum Teil auch selbst verkaufen oder verschenken.

Wie sieht es mit unseren deutschen Whiskybrennern aus? Wie wir uns alle vorstellen können, ist es in einem Paragrafen-Land wie Deutschland wohl nicht unbedingt so unkompliziert, Desinfektionsmittel mit offizieller Zulassung herzustellen, wie wir uns das wohl in der derzeitigen Situation alle wünschen.

Ich habe Michaela Habbel, Präsidentin des Verbands Deutsche Whiskybrenner, gebeten, uns einen kleinen Einblick in die Möglichkeiten unserer Brenner in Bezug auf die Herstellung von Desinfektionsmitteln zu geben.

Michaela Habbel

 

Ganz einfach gefragt: Dürfen deutsche Whiskybrenner Desinfektionsmittel herstellen?

Michaela Habbel: Da sage ich ganz klar und deutlich: Nein! Wohl gemerkt: Es geht um Desinfektionsmittel. Alkohol herzustellen ist etwas anderes.

Das heißt, Alkohol als Grundlage für Desinfektionsmittel herstellen, das können die Brenner?
Michaela Habbel: Ja, aber nur, wenn man ein kontinuierliches Kolonnendestilliergerät hat, so wie es klassische Kornbrennereien verwenden. Der Alkohol, von dem wir hier reden und der für die Herstellung von Desinfektionsmitteln zugelassen ist, muss auf 96,6% hochdestilliert sein.

Die Whiskybrennereien, wie wir sie in Deutschland gemeinhin kennen, können das nicht?
Michaela Habbel: Nicht die klassischen Obstbrennanlagen oder unsere Whisky-Potstills. Viele deutsche Brenner arbeiten zwar auch mit Kolonnen, aber da kommt es immer darauf an, wie viele Böden darinnen sind. Für die Whiskyherstellung wird nicht so hochprozentig destilliert. So große Kolonnenanlagen, um Ethanol, also Neutralalkohol, herzustellen, haben die wenigsten Brennereien in Deutschland. Das sind die erwähnten klassischen Kornbrandanlagen. Manche ältere Unternehmen haben die zwar noch stehen, nutzen sie aber auch nicht mehr, denn man kann Ethanol gar nicht so kostengünstig herstellen wie dazukaufen. Die allermeisten Brennereien kaufen also das Ethanol zur Herstellung ihrer Liköre, Geiste und Gins selbst ein.

Wie können dann unsere deutschen Whiskybrenner helfen?
Michaela Habbel: Wir haben im Moment rechtlich zum Glück die Situation, dass seit letztem Mittwoch die Biozidverordnung im Blick auf Desinfektionsmittel teilweise außer Kraft gesetzt ist und Apotheken dürfen jetzt auch unvergällten Alkohol, also Trinkalkohol, zur Herstellung von Desinfektionsmitteln verwenden. Für die Brenner bedeutet dieser Erlass der Generalzolldirektion, sie dürfen im Moment Ethanol an Apotheken unter Steueraussetzung liefern. Das ist normalerweise nicht so. Jetzt aber dürfen wir auch unseren Trinkalkohol mit 96,6% vol an Apotheken weitergeben.
Unsere Brenner, und dafür appelliere ich ganz stark, sollten also am besten mit Apotheken kooperieren. Wir haben einen Rohstoffmangel. Zur Herstellung von Desinfektionsmitteln solltest du beispielsweise Wasserstoffperoxyd haben, Glycerin und solche Sachen. Die bekommst du im Moment am Markt nicht. Das sind aber die Sachen, die die Apotheken meist noch haben. Die Apotheken ihrerseits haben aber im Moment keinen Alkohol, Ethanol oder Isopropanol. Da ist der Markt komplett leergefegt und sie kommen nicht heran. Das ist im Moment ein großes Problem.
Ich finde, es geht in dieser Zeit nicht darum, das schnelle Geld zu machen, sondern man sollte einfach an den Verstand und auch an das Herz der Brenner appellieren, unter dem Gesichtspunkt der Nächstenliebe zu handeln. Aus dem Ethanol, das wir Brenner zur Herstellung von Likören oder Gin eingekauft haben, sollten wir jetzt keinen Profit schlagen wollen, sondern es kostengünstig weitergeben an die Apotheken.

Aber Desinfektionsmittel müssen doch keine 96% vol haben, oder?
Michaela Habbel: Das Endprodukt wohl nicht, aber dem verwendeten Alkohol muss diese Reinheit zugrunde liegen. Wir Brenner dürfen ihn auch auf 70% vol oder 80%vol heruntergesetzt weitergeben. Aber auch der muss vorher als hochprozentiges Ethanol aus der Blase gekommen sein. Und es gilt natürlich für die Desinfektionsmittel immer noch das Arzneimittelgesetz. Ich möchte behaupten, dass die wenigsten Brenner ein ausreichendes Labor haben, um die Vorschriften gewährleisten zu können. Für die Apotheken ist es besonders wichtig, dass sie sich auf das Qualitätsmanagement der Brennereien verlassen können. Normalerweise hat man ja die Aussage verinnerlicht „Alkohol desinfiziert“. Ja, Alkohol desinfiziert, aber es geht ja darum, nach einer bestimmten Rezeptur Desinfektionsmittel herzustellen. Da geht es natürlich auch um bestimmte Deklarationen.
Nach dem alten Spruch „Schuster, bleib bei deinen Leisten“ appelliere ich deshalb an die Brenner, mit ihren Apotheken zu kooperieren. Auch für die ist die Situation momentan neu. Mir haben ganz viele Apotheken gesagt: „Das ist das erste Mal seit langem, dass unsere Apothekerin wieder als Apothekerin arbeitet.“ Die Desinfektionsmittel wurden in der Regel fertig eingekauft. Es lastet also auch ein enormer Druck auf dieser Branche.

Gibt es denn bereits Brenner, die mit Apotheken zusammenarbeiten?
Michaela Habbel: Ja, es gibt durchaus bereits Brenner, die das tun. Einige große Brennereien mit Kolonnendestillieranlagen, die Ethanol herstellen können. Aber auch andere, die es machen wie wir in unserer Brennerei und den selbst für Kräuterliköre oder Gin eingekauften Alkohol weitergeben. Man hilft sich in der Region. Das wurde einfach nicht an die große Glocke gehängt. Aber man darf dabei eben nicht vergessen, dass es sich um Ethanol handeln muss und ich jetzt nicht die hochprozentigen Vorläufe abgebe oder auf Teufel komm heraus versuche, auf meiner Pot Still auf 80 oder 90 Prozent hochzudestillieren. Es reicht nicht, dieser Alkohol genügt nicht den gesetzlichen Vorgaben zur Herstellung von Desinfektionsmitteln.

Sind die Whiskybrenner dabei jetzt auf sich gestellt, werden sie informiert oder geschieht da etwas organisiert?
Michaela Habbel: Die Verbände sind ständig in Verbindung mit der Pharmabranche und mit dem Apothekerverband, um Qualität zu gewährleisten. Aber wir dürfen uns natürlich nicht im Detail besprechen, denn wir haben das Kartellrecht, wir haben das Wettbewerbsrecht, die DSGVO. Man darf nicht nach Herstellermengen fragen und es dürfen keine Preisabsprachen erfolgen.

Soweit mein kleiner Telefonchat mit Michaela Habbel.
Vielen Dank, Michaela, dass du dir die Zeit genommen hast.

Was ziehe ich persönlich daraus für Schlüsse?
Unsere Whiskybrenner dürfen leider nicht einfach hingehen und ihren hochprozentigen New Make als Desinfektionsmittel vertreiben. Wenn ihr eure Fassstärken aus dem Regal nehmt und euch damit die Hände desinfiziert, dann ist das natürlich eure Privatsache und absolut okay (aber trotzdem bitte weiterhin auf das Händewaschen als grundlegende Maßnahme setzen), doch Desinfektionsmittel zur Anwendung im medizinischen und pflegerischen Bereich müssen noch immer anderen Anforderungen genügen.

Bilder: Destillerie & Brennerei Heinrich Habbel