Besuch der GlenWyvis Distillery oder: Über ein regenerativ-regionales Gemeinschaftsprojekt

“Sie haben Ihr Ziel erreicht“. Ach wirklich? Wir stehen auf einer kleinen Landstraße bei Dingwall – links Gegend, rechts Gegend, aber nichts, was nach Brennerei aussieht. Und dabei hatte Google Maps behauptet, es weiß genau, wo sich die GlenWyvis Distillery befindet. Wir schauen uns um – da oben am Hang, was sind das für Gebäude? Wir fahren ein Stück zurück, dann führt links ein schmaler Weg hinauf, wir folgen ihm und die Brennerei liegt vor uns.

Ein Hinweisschild sei bisher noch nicht nötig gewesen, meint Michael Fraser, Marketing and Tourism Strategy Officer, nach der Begrüßung. Die Dingwaller wissen, wo die Brennerei liegt und bisher gibt es noch kein Visitor Center, das auf Touristen wartet.

Seitdem 1926 die beiden Brennereien Ferintosh und Glenskiach geschlossen wurden, war Dingwall destilleriefreie Zone. Die Brenntradition wieder aufleben zu lassen könne der Region zu wirtschaftlichem Auftrieb verhelfen und den Tourismus ankurbeln, meinte der Farmer und Whiskyfan John Mackenzie, inspiriert von Gesprächen auf Islay. 2015 wurde GlenWyvis gegründet, eröffnete offiziell am 30. November 2017 (St.Andrew’s Day) und destillierte zum ersten Mal am 25. Januar 2018 (Burn’s Day). Sie rühmt sich, die erste schottische Brennerei in Gemeinschaftsbesitz zu sein: Das Land, auf dem sie sich befindet, gehört zwar John Mackenzie, doch er hat es für 1 Pfund für 175 Jahre an die GlenWyvis Distillery verpachtet.

John wohnt im Gebäude links auf dem Bild hier unten, in dem sich auch die Büros der Brennerei befinden und ist jetzt nicht nur Herr über Farmland, Alpakas, Schafe, Schweine und Galloways, sondern auch Managing Director der Brennerei.

Doch Besitzer von GlenWyvis ist John Mackenzie nicht, das sind mittlerweile mehr als 3000 Personen. Als 2016 die erste Crowdfunding-Runde eröffnet wurde, kamen durch das Engagement von 2.200 Personen innerhalb von 77 Tagen 2.6 Millionen Pfund zusammen. Eine zweite läuft derzeit, Stand heute ist „£768,830 raised of £1,000,000 stretch target“. Jährlich wird es Eigentümerversammlungen geben, bei denen jeder eine Stimme hat, egal, ob er 250 Pfund oder 100.000 Pfund investiert hat. Geleitet wird das Gemeinschaftsunternehmen von einem maximal 12-köpfigen Management Committee.

Viele der Anteilseigner sind Bewohner von Dingwall und regionale Geschäftsleute. Auch sie sehen in der Brennerei eine große Chance für die örtliche Wirtschaft und durften sich bereits im Planungs- und Bauprozess über erste positive Auswirkungen freuen: Die Aufträge für die Zuarbeiten wurden soweit als möglich an örtliche Unternehmen vergeben. 

Nicht nur die Besitzverhältnisse machen die GlenWyvis Distillery besonders, sondern auch die Art ihrer Energieversorgung. Zu 100% wird die Brennerei mit regenerativer Energie betrieben. Wind- und Wasserkraft werden ebenso genutzt wie Sonnenenergie und der Biomasse-Boiler ist eines der Herzstücke der Destillerie, das Michael Fraser beim Rundgang durch die Brennerei nicht minder stolz präsentiert als die Produktionsräume oder das Lagerhaus, das etwas oberhalb am Hang liegt. Eigentlich ist es kein Rundgang, meint Michael augenzwinkernd, die Brennerei arbeite eher gradlinig. Auf der einen Seite komme das Malz hinein, auf der anderen Seite der Whisky heraus. Und so folgen wir dem Produktionsweg von links nach rechts, bewundern Getreidespeicher, Mühle, Full Lauter Mashtun, 6 Washbacks aus Edelstahl (je 4.400 Liter, Füllvolumen 2.500 Liter; Fermentationszeit 72 – 96 Stunden) ), das Paar Brennblasen (2.500 und 1.700 Liter), den Boiler und das Lagerhaus.

Hier treffen wir Distillery Manager Duncan Tait, der dabei ist, Fässer zu füllen und zu lagern. Duncan Tait ist ein absoluter Hauptgewinn für GlenWyvis, unterstreicht Michael. Duncan hat fast 30 Jahre Erfahrung im Whiskybusiness und war zuletzt Manager von Mortlach. Nun ist er wieder zurück, wo seine Karriere damals begann, denn er startete einst in der Teaninich Distillery. Und er ist wieder zurück an den Wurzeln des Whiskys, legt selbst Hand an bei der Produktion und genießt es, seine reichen Erfahrungen in ein Projekt einzubringen, das er von Anfang an begleiten kann. Auch Craig (Billy) MacRitchie kommt vorbei und sagt Hallo. Er ist Head of Sales and Event Coordinator und so manchem sicher schon von Whiskymessen bekannt, auf denen er auch in Deutschland für GlenWyvis wirbt.

Dieses Jahr wird man etwa auf eine Produktion von 55.000 Liter kommen, in der Zukunft wird man dann hochfahren bis zu maximal 170.000 Liter. Das verwendete Getreide stammt von lokalen Farmern und wird gemälzt von Bairds Malt, Inverness. Ohne Torf übrigens, der GlenWyvis Single Malt Whisky wird einen nichtrauchigen Charakter haben. Das Wasser wird aus einem Bohrloch gefördert und ist sehr mineralreich, vor allem der Kalziumgehalt sei sehr hoch, meint Michael. Man verdanke es dem nahen Ben Wyvis und es ähnle dem, das bei Glenmorangie verwendet wird.

Von links nach rechts: Michael Fraser, Duncan Tait und Craig MacRitchie

Um einen Ausblick zu geben auf die den zu erwartenden Whiskystil hat GlenWyvis den Single Malt „Highland Inspiration“ herausgebracht, hergestellt in einer anderen nicht genannten Brennerei. Wir verkosten ihn und erfreuen uns an Vanille-, Toffee-, Zitrus-, Marzipan-, Honig-, Aprikosenaromen. Ob der eigene Whisky tatsächlich dieses Geschmacksbild entwickeln wird, das werde ich gespannt verfolgen.

Vielen Dank an das Team der GlenWyvis Distillery, besonders an Michael, für die herzliche Gastfreundschaft und die Einblicke in ihr wunderbares Projekt.

Und für alle, denen die wenigen Bilder im Bericht nicht genügen, sind hier noch viele weitere: