Besuch der Kingsbarns Distillery

Es ist nicht weit von Daftmill zu Kingsbarns. Eine halbe Stunde fährt man etwa mit dem Auto und doch trennen die beiden Welten. Ich hatte euch gestern von meinem Besuch der Daftmill Distillery berichtet und erzählt, dass dort bereits seit Dezember 2005 gebrannt wird. Demnach schlummert jetzt bereits 11-jähriger Whisky im Lagerhaus. In Kingsbarn muss man noch bis nächstes Jahr warten, bis in den Fässern offiziell Whisky liegt: Im März 2015 wurde das erste Fass abgefüllt. Daftmill stellt rund 20.000 Liter im Jahr her, die Produktion von Kingsbarns lag im ersten Jahr bei 120.000 Litern.

Was die beiden Brennereien aber am augenscheinlichsten unterscheidet, zeigt sich bei der Anfahrt: Daftmill mussten wir suchen. Die kleine Farmbrennerei liegt versteckt und möchte Besucherströme vermeiden. Kingsbarns rührt kräftig die Werbetrommel, ist gut ausgeschildert, weithin sichtbar und wartet mit Besucherzentrum, Shop und Café auf. Sieben Tage die Woche ist geöffnet und jeden Tag finden mehrere Besichtigungstouren statt, in der Hauptsaison stündlich. In der Produktion wird am Wochenende allerdings nicht gearbeitet.

Bei unserem Eintreffen an einem Junimorgen 2016 ist der Parkplatz so gut wie leer, denn Kingsbarns hat noch geschlossen. Die Verabredung mit Kingsbarns Gründer und Visitor Center Manager Douglas Clement ist bewusst früh angesetzt, bevor der Betrieb richtig losgeht. 10.000 Besucher hat Kingsbarns in diesem Frühjahr bereits gehabt, schildert Douglas uns später.

Die Kingsbarns Distillery hier zu bauen war seine Vision. In der Familie Wemyss, die seit langem als unabhängiger Abfüller in der Whiskyszene zuhause ist, fand er einen Partner, der ihm ermöglichte, seinen Traum wahr werden zu lassen (In einem Beitrag der Whiskyexperts ist ein kurzes Video zu finden, in dem Douglas von den Anfängen der Brennerei erzählt). Drei Jahre lang wurde geplant, getüftelt und gebaut, bis Kingsbarns am 1. Dezember 2014 offiziell eröffnet wurde und die Lowlands um eine Brennerei reicher waren. Im März 2015 wurden die ersten vierzig Fässer gefüllt (Ex-Bourbon Fässer übrigens). Fass Nummer 1 wird den Besuchern bei der Tour feierlich im ehemaligen Taubenschlag präsentiert.

Es ist kein neues Gebäude, das die Kingsbarns Distillery beherbergt. Um 1800 herum wurde die Farm hier errichtet, deren verbliebene Gebäudeteile behutsam in die Komposition der neuen Brennerei eingebettet wurden. Die Auflagen des Denkmalschutzes einzuhalten und trotzdem einen funktionierenden Brennereibetrieb unter Berücksichtigung aller Sicherheits- und sonstiger gesetzlicher Vorgaben aufzubauen, war eine Herausforderung, die in Kingsbarns wunderbar gelungen ist. „Kingsbarns“, benannt nach der ehemaligen Funktion als Lagerstätte der vom König in Getreidenaturalien eingetriebenen Steuern, strahlt in der Tat ein würdevolles, königliches Flair aus.

Nach dem Betreten der Brennerei finden sich Besucher in einem hellen, großen Empfangsraum wieder, der ehemaligen „Horse Mill“, in der Pferde zum Mahlen von Getreide einst unermüdlich ihre Kreise zogen. Im Café lässt sich eine eventuelle Wartezeit bis zur nächsten Tour angenehm überbrücken. Die Besichtigungstouren (drei unterschiedliche Touren werden angeboten) geben dann per kurzem Video und Rundgang Einblicke in die Geschichte der Brennerei und natürlich in die Whiskyproduktion. 

Ein Schwerpunkt liegt bei den Besichtigungstouren in der Vorstellung der Rohstoffe. Das Wasser für die Whiskyproduktion in Kingsbarns kommt aus einem 100 Meter tiefen Bohrloch. 60 Jahre hat es seinen Weg durch den Sandstein gesucht, bis es hier wieder zutage gefördert wird. Es ist sehr hart und eisenhaltig, erklärt Douglas, so dass es Osmosesysteme durchläuft, bevor es für den Maischeprozess benutzt wird. Kingsbarns arbeitet mit ungetorftem Malz von lokaler Gerste (Concerto) aus Fife und zwei verschiedenen Trockenhefen (Anchor und SafWhiskyM1/LeSaffra).

Gemaischt werden jeweils 1,5 Tonnen Malz mit 6.000 Litern Wasser. Vier Washbacks mit einem Fassungsvermögen von 11.000 Liter nehmen die Maische und die Hefe zum Gärvorgang auf. Zwischen 65 und 80 Stunden wird fermentiert, bis das erzeugte Bier dann die 8.000 Liter Wash Still und die 4.800 Liter Spirit Still durchläuft. Lange Lyne Arms sorgen für intensiven Kupferkontakt.
Über Wärmetauscher wird übrigens der Fußboden von Kingsbarns mit der Abwärme der Brennerei beheizt. 

Ex-Bourbon Barrels von Heaven Hill sind die bevorzugte Lagerstätte für den fruchtigen, leicht floralen New Make von Kingsbarns. Zu rund 10% werden auch Sherry Fässer und zu etwa 5% Port Pipes gefüllt. 24 Fässer jede Woche, meinte Douglas. Hier in Kingsbarns sind die Lagermöglichkeiten sehr begrenzt. Einmal im Monat ist deshalb Abtransport nach Glenrothes, wo die Fässer dann für die nächsten Jahre Heimat finden.

Einen Kingsbarns Single Malt Whisky kann man nach der Besichtigungstour noch nicht probieren, aber einen Spirit Drink, den New Make der Brennerei. Aber auch auf eine Whiskyverkostung oder Whiskykauf im Shop muss man hier nicht verzichten. Ganz im Gegenteil: Leckere Sachen gibt es!!! Als unabhängiger Abfüller hat der Eigentümer Wemyss viele hervorragende Whiskys anderer Brennereien zu bieten. Douglas ist ein großzügiger Gastgeber und so darf ich mich an einigen beschwingenden Late-Morning-Drams erfreuen. Schön, wenn man seinen Mann als Fahrer dabei hat 🙂 .


Als wir uns von Douglas verabschieden, fährt gerade ein Kleinbus auf den noch immer fast leeren Parkplatz – die erste Tour startet in Kürze.

Wer Kingsbarns übrigens in Zukunft besucht, wird Douglas Clement leider nicht mehr antreffen. Er hat Kingsbarns vor einem Vierteljahr verlassen und die Geschicke des Visitor Centers in die Hände von Scott Robertson gelegt. Neue Visionen, die ihn locken? Wie Kingsbarns sich heute präsentiert und ob sich etwas verändert hat seit meinem Besuch im Juni 2016, können wir dann in Kürze im Blog whiskyundfrauen lesen, denn Margarete Marie ist grad gestern von einer Reise durch die Lowlands zurückgekehrt.